Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
hättest es gesehen?“ Marva war fassungslos.
Ich nickte. Konnte es möglich sein, dass die örtliche Buschtrommel derart versagt hatte?
„Mir wurde gesagt, die junge Frau hätte es gesehen, die mit den ganzen Muskeln, die in der Wohnung über deiner Garage wohnt!“, warf Mutter entrüstet ein.
„Wir waren beide hinten im Garten.“
„Du hast das Flugzeug also auch gesehen?“, bohrte Mutter weiter.
Ich zuckte die Achseln. „Ein ganz normales kleines Flugzeug, rot und weiß. Wenn Zahlen draufstanden, habe ich die nicht bemerkt.“ Es kannte sich wohl kaum jemand in der Stadt mit Flugzeugen noch schlechter aus als ich.
„Ich kann es nicht fassen! In unserer kleinen Stadt!“ Marva vergaß vor Aufregung sogar das Flüstern. „Ob das jemand war, den Jack ins Gefängnis gebracht hat?“
Mutter und ich zuckten gleichzeitig mit den Achseln und unterstrichen die Geste dann noch mit einem perfekt synchronen Kopfschütteln.
„Na schön. Kommt rein, schaut euch die Lage hier an und sagt mir, was ihr davon haltet“, sagte Marva. „Ich schiebe jetzt seit einer Stunde Türdienst, muss aber bald gehen. Habe ein Brot im Ofen, das demnächst raus muss. Ich weiß nicht, ob Sissy daran denkt, es aus der Form zu holen, wenn es sich zehn Minuten gesetzt hat.“
„Wo können wir Bess denn finden?“ Mutter schien das ganze Geflüster an der Haustür langsam auf die Nerven zu gehen.
„Gleich da hinten.“ Marva deutete mit dem Kinn auf die Tür am Ende des Hausflurs. „Die Kinder sind noch nicht hier, aber sie hat mit ihnen telefoniert. Sie haben beide eine lange Fahrt vor sich.“ Richtig, fiel mir ein: Die Kinder der Burns, Romney und Jack Junior, besuchten zwei verschiedene Colleges in zwei verschiedenen Bundesstaaten.
„Wir stellen nur rasch noch unser Essen in den Kühlschrank, dann gehen wir zu Bess“, verkündete Mutter.
Die Küche der lieben Bess sah aus wie meine normalerweise auch: im Großen und Ganzen sauber, aber an den Rändern doch ein bisschen unordentlich, mit Rechnungen, die aus einem Kästchen an der Wand ragten, und einer offenen Schachtel Teebeutel neben einem Wasserkrug. Eine andere Nachbarin lebte gerade ihr Bedürfnis nach liebevoller Hilfeleistung aus, indem sie die Arbeitsflächen abwischte. Wir lächelten und nickten einander verhalten zu.
Der Kühlschrank stand bereits halb voll mit abgedeckten Schüsseln, als ich meinen Salat dort abstellen wollte. Alles Essen, das Nachbarn und Freunde Bess gebracht hatten, um sie in ihrer Zeit der Trauer zu unterstützen, und damit sie etwas zu essen im Haus hätte, wenn ihre Familie eintraf. Spätestens morgen Mittag würde es hier keinen freien Platz mehr geben.
Zumindest mit dem Kühlschrank schien alles seine Richtigkeit zu haben. Leicht beruhigt machten Mutter und ich uns auf den Weg zum Wohnzimmer am anderen Ende des Hauses.
Dort hockte Bess auf dem Sofa, eingeklemmt zwischen zwei großen Männern. Ich hatte keinen der beiden je zuvor gesehen. Sie trugen Anzüge und Krawatten und finstere Mienen, und als die zierliche rothaarige Witwe zwischen ihnen sich mit einem weißen Taschentuch das Gesicht abtupfte, spendete ihr keiner der beiden Trost.
„Es tut uns so leid.“ Mutter traf wie immer den richtigen Ton. In diesem Fall Mitgefühl, aber keins, das eine neue Tränenflut ausgelöst hätte.
„Danke.“ Bess ’ Stimme klang fast ausdruckslos vor Erschöpfung und Schock. Die Falten auf ihrer Stirn und die, die sich von der Nase zum Mund zogen, schienen tiefer eingegraben, der rote Lippenstift hob sich grell vom blassen Gesicht ab. „Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie gekommen sind. Auch Sie, Aurora.“
Leicht unbeholfen beugte ich mich über den Sofatisch, um sie zu umarmen. Bess, die gerade erst Ende des letzten Schuljahrs in Rente gegangen war, kleidete sich immer noch so, wie sie es als Lehrerin getan hatte. Heute waren das eine bequeme Baumwollstrickhose und ein locker sitzendes Shirt. Das Shirt war blau und vorn mit einem großen roten Apfel verziert, eine fröhliche Kombination, die nur unter den gegebenen Umständen eher traurig stimmte.
„Wissen Sie schon, warum ...“, fragte meine Mutter, als hätte sie jegliches Recht dazu.
Bess wollte antworten, wurde aber von dem blonden Mann rechts neben ihr mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht. Er starrte uns durch seine große Schildpattbrille vorwurfsvoll an.
„Das wird noch untersucht“, verkündete er bedeutungsvoll.
Mutter und ich wechselten einen Blick.
Meine
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