Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
zur Arbeit. Mein Mann fliegt heute nach Chicago, ich muss ihm später bei den Vorbereitungen helfen.“ Letzteres fügte ich aus reinem Trotz hinzu, denn Martin packte als erfahrener Reisender seinen Koffer stets selbst. Zum Flughafen ließ er sich von einem Firmenwagen bringen, damit der Mercedes nicht etwa auf dem Langzeitparkplatz Dieben oder Vandalen ins Auge stach. Mir fehlte Martin, wenn er nicht in der Stadt war, und mehr hatte ich mit seinen Reisen nicht zu tun.
Er hatte mir in letzter Zeit häufig gefehlt.
Dryden schlug als Termin vier Uhr bei mir zu Hause vor. Ich erklärte mich einverstanden und widmete mich danach demonstrativ wieder meinem Buch. Aber Dryden schien Quasselwasser getrunken zu haben.
„Ihr Mann ist also Leiter der hiesigen Pan-Am Agra-Fabrik?“
„Er wurde gerade befördert und ist jetzt Vizepräsident für den Aufgabenbereich Herstellung.“ Ich blätterte um.
„Sind Sie schon lange verheiratet?“
Wie bitte? Ich war kurz davor, unhöflich zu werden.
„Zwei Jahre“, antwortete ich kurz angebunden.
Gott sei Dank rief gleich darauf Trinity Angels Namen.
„Komm doch mit, Roe“, bat meine Leibwächterin.
Etwas überrascht, aber sehr froh, meinem Sitznachbarn entkommen zu können, steckte ich mein Buch in die Tasche und stand auf. Dr. Zelmans neue Krankenschwester holte uns ab und führte uns in ein winziges Untersuchungszimmer mit rosa und blau gestrichenen Wänden. Angel passte nur ganz knapp auf den Untersuchungstisch. Irgendwie kam die Schwester mir bekannt vor. Aber erst nachdem sie sich eine Weile mit Angel über deren Müdigkeit und andere Wehwehchen unterhalten hatte, während sie ihr gleichzeitig geschäftig Blutdruck und Fieber maß, wurde mir klar, warum. Bei der jungen Frau in Weiß handelte es sich um Linda Erhardt, bei deren Hochzeit ich vor langen, langen Jahren Brautjungfer gewesen war. Sie hieß nun schon eine ganze Weile Linda Pocock. Jetzt war sie mit Angel fertig, drehte sich um und erkannte mich ebenfalls.
Nach den üblichen erstaunten Ausrufen und Umarmungen verkündete Linda: „Ich nehme an, du hast es schon gehört. Ich bin geschieden und wohne wieder zu Hause.“
„Das tut mir leid. Aber dann sehen wir uns öfter mal, das freut mich.“
„Mich auch. Natürlich habe ich die Kinder mitgebracht. Sie gehen jetzt hier in die Schule.“
„Die Kinder! Natürlich, die hatte ich ganz vergessen. Zwei Mädchen, richtig?“
„Ja, Carol und Macey.“ Linda zog Angel ein Fieberthermometer aus dem Mund, warf einen Blick darauf und notierte das Ergebnis auf Angels Karteikarte, ohne eine Miene zu verziehen.
„Für die Untersuchung müssen Sie sich umziehen, Mrs. Youngblood“, bat sie Angel dann laut und deutlich, als sei das Schweigen meiner Freundin ein Zeichen für mangelnden Grips. „Dort in der Ecke ist eine Umkleidekabine. Ziehen Sie einfach eins von den Hemden über, die dort liegen.“
Nach einem Blick auf das fragliche Kabinchen funkelte Angel Linda wütend an, was ich ihr nicht verdenken konnte. Auch ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie es Angel gelingen sollte, sich auf so engem Raum umzuziehen. Aber sie schaffte es irgendwie, auch wenn sie dabei die ganze Zeit wütend vor sich hinbrummte. Damit ich nicht einfach nur dasaß und ihr zuhörte, bürstete ich mir die Haare mit Hilfe des Spiegels über dem Waschbecken. Sorgfältig achtete ich darauf, die Bürste ganz durch die einzelnen braunen Wellen mit ihren schicken Strähnchen zu ziehen und mein Haar nicht abzubrechen, indem ich die Bürste zu früh herauszog. Als meine Locken nur noch knisterten und mir wild vom Kopf abstanden, gab ich die Sache auf. Bis dahin hatte Angel es geschafft, sich wieder auf den Tisch zu legen, das obligatorische Laken über dem Schoß. Sie wirkte ziemlich unglücklich und mehr als nur ein bisschen verängstigt.
Dr. Zelman kam ins Zimmer gestürzt, als Angel gerade etwas sagen wollte. Dr. Zelman betrat nie einfach nur ein Zimmer, er ging auch nie einfach so hinaus. Er legte Auftritte und Abgänge hin. Auch schloss er nie die Tür hinter sich. Das blieb der Schwester oder den Freunden seiner Patienten überlassen. Ich schob mich vorsichtig hinter ihn, um das zu erledigen. Pincus „Pinky“ Zelman war jetzt Anfang fünfzig und praktizierte seit zwanzig Jahren in Lawrenceton. Davor hatte er kurze Zeit eine Praxis in Atlanta besessen, was in ihm unerklärlicherweise den Wunsch nach etwas Ländlicherem geweckt hatte.
„Mrs. Youngblood!“, rief er freudestrahlend.
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