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Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Cadeggianini
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andermal gern«, log ich und traute mich dann doch noch ein »vielleicht« hinterherzumurmeln.
     
    Wir saßen vor unserer Lieblingseisdiele »Slurp«. Ich war mit Joghurt durch – zwischendurch musste ich immer mal wieder Giannas tropfendes Zitroneneis begradigen – und gerade in dem Moment, in dem ich mir diese extrem nussige Pistaziensorte vornahm, klingelte mein Telefon: Zia Anna.
    »Wo bist du?«
    »Bei Slurp …« meinte ich, und wies Gianna auf einen Zitroneneistropfkanal an ihrer Waffel hin.
    »Ich stehe hier vor eurem Haus, mit Andrea, dem Chef des Supermarkts.« Pause. »Pronto? Bist du noch da?«
    »Jaja«, meinte ich. Gianna schmierte sich das Eis gerade aufs Knie.
    »Da schießt Wasser aus eurer Wohnung«, sagte Zia Anna. »Pronto?«
    »Ich komme.«
    Kurze Zeit später galoppierte Gianna wie ein Flusspferd durch unsere Schwimmbadwohnung. Elena gluckste. Viola stotterte: »Das war ich nicht. Ganz sicher nicht. Ich habe nur zweimal so lang gedreht, bis es nicht mehr weiterging. Auf Anschlag. Das muss jemand anderes gewesen sein.«
     
    Viola, 25  Jahre alt, vollgepackt bis obenhin mit Leidenschaft, Mut, Kontrollverlust. Sie knutscht mit mir sturzbesoffen in irgendeiner Unterführung einer Moskauer Vorstadt. Sie macht unsere Steuererklärung. Sie ist wunderschön: Ihre Nase nur unwesentlich kleiner als meine, muskulöse Oberarme, Teint und Lachfalten erzählen von viel Sonne in ihrem Leben. Sie fährt das Auto zum TÜV . Sie meldet uns zu einem Jodelkurs an. Sie mischt Ernst, Plan, Vomlebenwaswollen mit jener Leichtigkeit und ja, auch Leichtfertigkeit, die das andere erst erträglich macht. Meine Frau.
     
    »Das muss jemand anderes gewesen sein«, wiederholte sie.
    Der andere. Egal, wie viele Kinder wir haben werden, der andere kommt immer noch on top dazu. Und er taucht immer genau dann auf, wenn man ihn am wenigsten gebrauchen kann. Wer hat die Badtürklinke mit Zahnpasta eingeschmiert? Wer hat den Autoschlüssel in der Duplokiste versenkt? Wer hat Giannas Smarties aufgegessen? Er. Er. Er.
    Ich rekonstruiere: Am Morgen hatte Viola gesagt, sie habe den Hahn im Bad aufgedreht, und zwar auf Anschlag. Schließlich wollte sie sofort bemerken, wenn das Wasser wieder fließen würde. Ich hielt das für eine weniger gute Idee.
    Viola hatte genickt und gedreht.
    Sie ist Italienerin. Mit Richtungen, mit Auf und Zu kann Viola nichts anfangen. Sie rechnete und sie rechnete in Anschlägen. Erster Anschlag: ganz auf. Zweiter Anschlag: ganz zu. Viola behauptete, dass vorher oder zwischendrin ein Anschlag getätigt worden sein müsse, vom anderen. Also: Viola-Anschlag (= Auf), Anschlag des anderen (= Zu), Viola-Anschlag (= Auf), Tecnico, Überschwemmung.
    Andrea, der Chef vom Supermarkt, hämmerte gegen die Tür: In seinem Lager tropfte es mittlerweile durch die Decke. Was wir denn da so lange machen?
    »Jaja«, brummte ich, öffnete die Tür einen Schlitz.
    »Wir kümmern uns drum«, und schob sie wieder zu.
    Wieder Türhämmern. Zia Anna. Mit Eimern.
    Wer zur Hölle wollte eigentlich nach Italien?
     
    Los ging das ein gutes halbes Jahr zuvor.
    »Unterbrechen?« Die Sekretärin der kleinen Münchner Jesuiten-Uni hatte nur kurz aufgeschaut. »Also beurlauben«, berichtigte sie, rutschte weiter runter auf dem Formular, zu dem Punkt Beurlaubungsgründe. »Auslandsstudium? Assistant-Teacher? Krankheit? Schwangerschaft?«
    »Nein, nein, das ist es alles nicht. Meine Frau studiert doch dort, ich will ja unterbre…, also mich beurlauben lassen.«
    »Also, anderer Grund.«
    Ich nickte. Dann eben so. Anderer Grund.
    »Bitte auf Seite 2 näher erläutern.«
    »Äh, Vaterauszeit? Väterzeit? Erziehungsdings? Also, Sie wissen schon, so …«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht.
    »Aber einer muss doch auf die Kinder aufpassen. Meine Frau hat schließlich ein Stipendium, für Florenz, und ich …«
    Sie blickte zur Decke. Wenn ich sie nicht fortwährend angesehen hätte, hätte sie sicher die Augen verdreht.
    »Und ich bin eben ›mitreisender Ehepartner‹. So heißt das dort in den Stipendiumsformularen. Ich bekomme sogar Geld …«
    Sie ließ mich einfach reden, den Kopf immer schiefer gelegt, während ihr Zeigefinger längst auf Seite 2 lag, auf der Lücke.
    »…  300 Mark pro Monat. Ich …«
    Sie sagte: »So!« Es war ein hartes »So«, mit ganz kurzem »O«, wie in »Sonnenblume«, bloß ohne »nnen«. Und ohne »blume«. Es hieß: Jetzt halt mal deinen Rand. Dann sagte sie, sie habe noch nie

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