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Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Cadeggianini
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liege im Bett, mit Fieber.
    Seitdem heißt bei uns jede Pasta, die auch nur eine Idee zu kurz im Wasser war: Fieberpasta.
    Und manchmal, auch das musste ich erfahren auf meinem steinigen Weg zum echten Italiener, kommt man erst gar nicht so weit: Ich wurde eher zugeladen, zum Mittagessen, ohne viel Tamtam. Eine schnelle Pasta bei Sigrid und Pino. Wenn er Hunger hätte und in der Nähe wäre, könnte er ja vorbeikommen. So in etwa.
    Ich hatte Hunger, ich war in der Nähe, nur: zum Essen kam ich nicht wirklich.
    Als ich mich an den Tisch setzte, war bereits gedeckt: Glas, Gabel, tiefe Teller.
    Ich hasse tiefe Teller. Bis heute. Suppen esse ich lieber aus Schalen, da bleiben sie heiß. Und für alles andere bevorzuge ich flache, große Teller; Typ Servierplatten. Gern nehme ich dann zum Beispiel schon den Salat mit drauf. Das geht bei tiefen Tellern nicht, rutscht da doch alles so unschön in der Mitte zusammen. Aber mein Tiefe-Teller-Hass sitzt tiefer als irgendein Pragmatismus. Ich vermeide sie, wo ich nur kann. Seit jenem Essen.
    Es gab Spaghetti, mit irgendeiner sauguten Soße. Alle saßen, ich bekam einen Berg auf meinen tiefen Teller. Ich bedankte mich, blickte mich um, kein Beten, dann ein Guten- Appetit-Wünschen, und schon spießten Viola, ihr Bruder Michelangelo, Sigrid und Pino ihre Gabeln in die Pasta. Ich wartete, räusperte mich, fragte dann, ob ich vielleicht einen Löffel holen dürfte. Bitte.
    »Nein.«
    Es war keine Aufregung in diesem Nein. Es sollte nicht nach Provokation klingen. Es war ein kleines, aber entschiedenes »Nein«. Die vier drehten weiter in ihren Tellern. In meinem Kopf hallte das Wörtchen. Als mein Blick Sigrid nicht recht losließ, fügte sie hinzu: »Wer meine Tochter ausführen will, der muss seine Spaghetti schon ohne Löffel essen können.« Ich dachte kurz daran, nachzufragen, wer da sonst schon so dagewesen sei und wie der sich so geschlagen habe, wendete mich dann aber nickend meinem Teller zu und drehte.
    Bisher hatte ich es in meinem Leben nie für notwendig erachtet, Spaghetti ohne Löffel essen zu können. Ich hatte es nicht mal versucht. Ich setzte dann all meine Hoffnung darauf, ein Naturtalent zu sein. Und zu meiner großen Überraschung bestätigte sich diese Hoffnung überhaupt nicht. Egal, wie ich anfing, ob am Rand oder in der Mitte, ob links rum oder rechts rum, nach zwei, drei Umdrehungen kreiste ein kinderkopfgroßer Knäuel auf meinem Teller. Demut erfasste mein Herz. Die Demut dessen, der sieht, dass er nicht kann, was doch so einfach aussieht. So wie es zum Beispiel wirklich schwierig ist, freihändig und ohne Vorzeichnen Sterne aus einem Blatt Papier auszuschneiden, die nach Sternen aussehen, so ist es mit dieser Gabeldreherei. Und genauso wie ein fertig ausgeschnittener Stern einfach nur toll aussieht und nicht nach Problem, so federleicht sieht auch dieses Pastaessen aus. Das der anderen. Waren die anfangs noch ganz gut mit sich und ihrem Hunger beschäftigt, wurden mit der Zeit meine Drehversuche immer argwöhnischer beäugt.
    Es war Michelangelo, der irgendwann innehielt, aufblickte. Jener Michelangelo, der ein paar Jahre später mit merkwürdigen Knötchen auf dem Pullover dastehen wird: »Mama, was ist mit meinem Pullover los? Woher kommen diese Wuggel?« Die Wollknötchen gehen in einem Streifen einmal über den Bauch rüber und dann noch quer über die Brust, von links oben nach rechts unten. Es ist – wie wir mit Hilfe von Experimenten herausfinden – der Gurt aus seinem Auto, der da an seinem Pullover gerieben, Wolle zu Wuggeln gemacht hat. Die vielen begeistert gefahrenen Kilometer: die Insignien seiner Macchina. Als Michelangelo ein Haus kaufen will, lässt sich sein Favorit ganz einfach in Zahlen fassen: 250  Quadratmeter, davon 100  Quadratmeter Garage.
    Dieser Michelangelo, dieser Superitaliener mit den Woll-Wuggeln im Gurtbereich, hielt inne, deutete mit der Gabel in meine Richtung.
    »Du kannst es nicht!« Ich drehte meine Gabel ein wenig auf dem Teller, inzwischen war sie zu einer Art Keule geworden, die Nudeln schienen wie gequollenes Peddigrohr unwiederbringlich ineinander verstrickt und verknotet zu sein.
    »Nimm zwei, drei Nudeln, ziehe sie mit der Gabel ein wenig hoch, so dass du die anderen abschüttelst, und drehe sie dann am Tellerrand zur mundgerechten Portion. È facile.«
    Aha. Sehr schön. Ja, genau. So werde ich das jetzt auch machen. Du hast ja recht, du Gabelkünstler, du löffelloses Genie. Jetzt komme ich. Das ist

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