Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Cadeggianini
Vom Netzwerk:
unseren Pakt, demütigt mich mit seiner Beflissenheit, ahnt überall Normalgefahr.
    »Komm schon, Patachon, das ist ein Vierteljahrhundert her.«
    »Vertrag ist Vertrag. Und gerade dafür haben wir den Pakt doch geschlossen, für später. Das bin ich dem Georg von früher schon schuldig. Dem, der mich nie im Leben einfach so in die Mülltonne geworfen hätte.«
    Ich war 13 , die Pubertät hatte mich bereits fest im Griff, als Patachon das erste Mal richtig zufrieden war mit mir. Ich färbte mir die Haare, Premiere. Mit Wasserfarben. Kurz vor Heiligabend malte ich mir bunte Quadrate auf den Kopf, mit jeder einzelnen Farbe wurde ich ein gefühltes Jahrzehnt erwachsener, unabhängiger. Weihnachten mit bunten Haaren, das sitzt, dachte ich mir.
    Meine Mutter reagierte, als ob nichts wäre. Aha, Haare gefärbt, alles klar, alles normal.
    »Kannst Du für mich einkaufen gehen?« Ich murrte, wie ich immer murrte, als ich 13 war und es irgendwas zu tun galt.
    »Aber ich gehe nur, wenn ich so gehen darf, wie ich bin.« Sie drückte mir den Einkaufszettel in die Hand und schob mich aus der Tür. Der Weg zum Supermarkt führte über eine Betonbrücke, die die Hauptstraße überquerte. Und genau kurz vor Brückenmitte, auf dem Präsentierteller der Stadt sozusagen, begann es heftig zu regnen: ein Wolkenbruch. Und der kleine, wasserfarbenbemalte Mann, dem der Regen grün und gelb und pink ins Gesicht lief, schritt tapfer in den Supermarkt, um der Welt zu zeigen, wie anders er war. Sogar anders, als er sich das in seinem trotzgefluteten Köpfchen ausgedacht hatte.
    Ein Dutzend Jahre später trägt der kleine Mann von damals seine Haare hellbraun, kurz, naturfarben, inzwischen samt Geheimratsecken, die er für gar nicht so schlimm hält. Eine Zeitlang dachte und behauptete er sogar, sie seien sexy. Patachon, der Antinormalfisch in ihm, will Futter.
    Cäsar-Anton-Dora- …: Ja, so ein Buchstabiername, vom Mann angenommen, das war sicher nicht normal, das gefiel Patachon. Und Viola tat nichts anderes, als große Mengen Öl heranzuschaffen und ins Feuer zu gießen: »Der Name ist ein Rechtschreibfehler, einzigartig selbst in Italien.« Kein Mensch könne sich erklären, wo die zwei »g«s herkämen, und warum da kein Doppel-»n« im Namen sei. Dazu die Ausgeglichenheit, Hälfte Konsonanten, Hälfte Vokale: »Unique!«
    Patachon machte einen Satz wie ein Lachs bei der Laichwanderung. Ein Mann, sein Mann, würde seinen oberbayerischen, ganz normalen Namen aufgeben und einen italienischen Buchstabiernamen mit Rechtschreibfehler annehmen. Cadeggianini statt Buchetmann. Oléolé. Patachon johlte.
    Und ich war chancenlos, beugte mich und übte.
    Das schnelle und das langsame Aussprechen, zusammen mit und ohne Vornamen, das Buchstabieren und das Unterschreiben. Noch heute ist es so, dass ich, werde ich beim Buchstabieren unterbrochen, oft durcheinanderkomme und dann lieber noch mal ganz von vorne beginne. Ein Quereinstieg ist nie ganz einfach. Das gilt natürlich ganz besonders dann, wenn es um einen italienischen Rechtschreibfehlernamen geht, bei dem sogar der Spamschutz vieler E-Mailprogramme anschlägt: Cadeggianini? Das muss so eine fiktive Penis-Verlängerungs-Viagra-Verhökerer-Identität sein – ab in den Spam.
    Zur Hochzeit schenkten mir meine Eltern ein Fotoalbum. »Über Dein Leben als Buchetmann«, steht vorne drin, und ich musste heulen.
    Womit ich nicht gerechnet habe: mit dem italienischen Namensrecht. Meine Kinder, meine Bambini, die wir von Geburt an auf italienisch trimmten (sie sollten es mal weniger schwer haben als ich), sollten – wie ich sieben Behördengänge später erfahren habe – im italienischen Pass, in ihrem bordeauxroten Passaporto mit dem goldenen Pentagramm im Lorbeer-Eichenblätter-Kranz, nichts anderes als meinen oberbayerischen Geburtsnamen stehen haben. »Buongiorno, Georg Cadeggianini. Das sind meine Kinder: Gianna, Elena Maria, Camilla, Lorenzo Leoluca, Gionatan Falco, Jim Luciano. Mit Nachnamen heißen die – ja, also, äh – Buchetmann?« Ach, komm.
    Es wird noch eine Reise nach Pavullo in die Berge der Emilia brauchen, gutes Zureden, persönliches Vorsprechen der Kinder und ein paar Geldscheine, unauffällig eingelegt, sie nennen es Verwaltungsgebühr, um den Kindern auch in Italien ihren richtigen Namen zu gönnen.
    Buchetmann ist jetzt mein Mädchenname, wie es heute noch in manchen Formularen steht, ein Chefetagenname, sagte mein Großvater früher. Ich hatte nie Buchstabierprobleme mit

Weitere Kostenlose Bücher