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Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Cadeggianini
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also: weiblich und am 25 . eines Monats Geburtstag. So werden Stelle für Stelle Informationen gehäufelt. Ich habe noch nicht alles verstanden, aber ich bin mir sicher: Mit den richtigen Tabellen kann man an dem sechzehnstelligen Codice fiscale nahezu alles ablesen: Cappuccino oder Latte Macchiato? Fiat oder Ferrari? Mare oder Montagna? Pizza oder Pasta? Camorra oder Cosa Nostra? Pavarotti oder Ramazotti?
    Meine Lieblingsposition ist ganz hinten, auf Stelle 16 . Hier ist der CiEffe ganz bei sich. Die 16 . Stelle ist frei von jeder Information, eine reine Kontrollstelle. Sie ist die Essenz eines Systems, reine Selbstbestätigung, algorithmische Onanie, großartig. Um sie zu berechnen, bekommen noch mal alle vorherigen Ziffern und Buchstaben nach zwei getrennten Tabellen, je nachdem, ob sie auf einer geraden oder ungeraden Position des CiEffe liegen, einen neuen Zahlenwert zugewiesen. Am Schluss wird alles zusammengezählt, eine Art Quersumme des CiEffe, und durch 26 geteilt. Das Ergebnis, und das gefällt mir besonders gut, wird einfach weggeworfen. Wichtig ist nur der Rest, das, was beim Teilen durch 26 übrig bleibt: eine Zahl zwischen 0 und 25 , die wiederum durch einen Buchstaben kodiert wird.
    Um es gleich vorweg zu sagen: Ich werde nie in den Besitz eines Codice fiscale kommen. Aber ich versuche seit Jahren als Hobby meinen etwaigen Kontrollbuchstaben auszurechnen. CDG GRG 77 E 05  G 702 und dann? 5  + 3  + 15  + 6  + 8  + 6  + 17  + 7  + 9  + 0  + 13  + 6  + 17  + 0  + 5  = 117 geteilt durch 26  = 4 , Rest 13 . Rest 13 hieße »N«. Könnte sein.
     
    Mit schreckensgeweiteten Augen rüttelte ich also meine Frau: CiEffe mitbringen? CiEffe? Ob sie einen leisen Schimmer davon habe, was sie da eigentlich sagte? »CiEffe, das ist schlimm, das ist ganz schlimm. Das ist das Dschungelcamp der Formulare, zahlengewordener Staatsterror. Das ist …«
    »Ruhig, ganz ruhig«, sagte Viola und grinste. »War doch nur ein Scherz. Ein Witz zwischendurch. Die Liebe stützen und so.« Ich schnaufte einmal tief durch. Ein Scherz.
    »Darüber macht man aber keine Scherze. Nicht über den. Wirklich nicht.«
    Erleichtert packte ich die zwei Kinder aufs Rad. Also gut. Ein Scherz. Okay. Dann mal los. Wir brauchten eine Aufenthaltsgenehmigung, offizielle Papiere. Unsere Vermieterin wollte das. Die Bibliothek und der Stipendiengeber. Die Krabbelgruppe und sogar der Supermarkt für unsere Punktesammelkarte. Wir vertrösteten alle, seit Monaten. Typisch italienisch halt.
     
    Nur anmelden, eine Aufenthaltsgenehmigung in der Questura beantragen. Nur anmelden in Italien, das ist wie Malefiz spielen – das Einwohnermeldefiz. Mühsam muss man sich hochwürfeln, Schritt für Schritt, Stockwerk für Stockwerk, von Beamten zu Beamten. Je größer das Zimmer, desto dicker der Beamte. Erfahrene Spieler wissen mit einem Blick, auf welchem Stockwerk sie gerade sind. Die Beamten schicken die Spieler von einem Zimmer ins nächste, manche erwähnen noch Dokumente, Bestätigungen, Schreiben, die es beizubringen gelte, bei deren Vorweisen der nächste Beamte wahlweise gelangweilt oder wütend wird, jedoch keinerlei Beschleunigung in der Sache zu erwarten ist. Bei manchen Beamten hockt ein weiterer Beamter im Zimmer. Der ist wie einer dieser weißen Malefizsteine: Er blockiert den Weg. Dann muss man aussetzen, warten, bis der überschüssige Beamte von einem Mitspieler weggerufen wird.
    Das italienische Einwohnermeldefiz ist ein spannendes Gesellschaftsspiel in historischem Ambiente, das oft mehrere Tage dauert. Die Spieler werden auf Geduld und Contenance geprüft. Denn pro Tag werden nur einige wenige Stempel vergeben.
    Macht der Spieler auch nur einen kleinen Fehler – nicht anklopfen etwa oder nicht ordentlich grüßen, sich auf einen anderen Beamten berufen, auf die guten Sitten, den lieben Gott – , verdirbt das augenblicklich die Laune. Erst dem Beamten, dann dem Spieler.
    Und dann gibt es noch einen Kapitalfehler …
     
    Ich hatte mich schon bis in den dritten Stock hochgespielt. Zimmer und Beamte waren groß und kräftig. Elena klemmte wie ein Baguette unter meinem Arm. Gianna war unwirsch und nur noch mit Süßem bei Laune zu halten. Pro Beamter, hatte ich versprochen, bekäme sie ein Gummibärchen. Und die Packung neigte sich bereits dem Ende entgegen.
    Der Beamte grinste, ich sah schon das Wort Mittagessen in seinem Gesicht, da bot er mir ein Glas Wasser an. Ungläubig rupfte ich einen Becher aus dem

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