Aus Liebe zum Wahnsinn
der Bettkante des greinenden, fiebernden Kinds sitzt. Charakter? Dreckskrampf.
Als Viola erste Probewehen hatte. Unser Baby in die Bananenpappkiste? Ach, komm.
Bananen sind die Fischstäbchen unter den Obstsorten. Fast alle Kinder mögen das Pappig-Süße an ihnen. Fast alle Eltern das Unkomplizierte. Eines der wenigen Dinge, die ich durch Kinder hassen gelernt habe, sind Bananen. Ich habe einfach zu oft irgendwelche Reste davon aufessen, Finger ablecken müssen. Oder Kleinkind-Fütter-Anwandlungen mitgemacht (»Papa, du essen«). Reagiert man nicht sofort, bestrafen einen die Bananen mit fiesen Flecken. Lieber Schlucken als Schmutzen. Etwas, was sich bei mir als tiefer Bananenhass eingegraben hat. Und trotzdem: Deswegen jetzt diesen Bibel-Moses-Basket? Der nach eingeweichtem Peddigrohr miefte.
»Wir nehmen ihn«, sagte meine Frau.
Es gibt Dinge, die laden sich im Handumdrehen ideologisch auf. Für manche ist das die Frage nach Migranten-Sprachtests, für andere die Aufstellung der Fußballnationalelf, für wieder andere die Frage, ob man Säuglinge taufen darf. Kleine Dinge, Fragen, Probleme werden im Nu zu Weltanschauungen hochgejazzt. Eltern sind, gerade wenn ihre Kinder noch klein sind, in diesem Balgen um Aufmerksamkeit und Bedeutung eine äußerst gefährdete Gruppe. Wer nicht aufpasst, wird ruck, zuck zum Ideologen, zum
Elternisten
.
Elternismus funktioniert in einem Dreisprung aus Überforderung, Überinformiertheit und Überhöhung. Einfallstore für Elternismus sind Themen wie Frühkarotten, Babytragesysteme, Sechsfachimpfung, musikalische Früherziehung, Antibiotika, Liegepositionen (auch im Moses-Basket) – oder Windeln.
Erstens: Überforderung.
Die Verantwortung für ein Kind ist immer eine Zumutung. Wer sagt »Ein Kind? Das kommt mir gerade recht, nur her damit, das wuppe ich. Kein Problem. Keine Angst. Ich freue mich«, der ist meines Erachtens nichts anderes als größenwahnsinnig. Es ist nicht die Frage, ob man der Verantwortung
wirklich
gerecht wird, sondern
wie
man damit umgeht, dass man ihr
nicht
gerecht wird.
Ist es nicht manchmal schon schwierig, sein eigenes Leben gebacken zu bekommen, damit wirklich verantwortlich umzugehen? Klemme ich einen Zettel an das angeschrammte Auto, oder schaue ich mich um, ob sich jemand mein Nummernschild notiert hat? Und was macht das mit meiner Seele? Fahre ich zum Freund nach Bremen, dem es gerade mies geht, oder muss ich für meinen Chef jetzt unbedingt diese Projektbilanz fertigmachen? Und hatte ich nicht längst vor, mich mal mit Religion auseinanderzusetzen? Mit irgendeiner? Dieses Thema zumindest nicht ganz sausenzulassen?
Das eigene Leben bietet genug Anlass, an der Weitsicht und Seelengröße desjenigen zu zweifeln, der es führt. Und ausgerechnet diesem Hallodri überstellt man auch noch ein fremdes Leben, dessen Gemüt, Perspektiven, Entwicklung vollkommen von ihm abhängen? Ja.
Elternsein ist prinzipiell überfordernd. Egal, ob man zwei oder sieben Kinder hat. Eltern sind immer verloren im Meer von Verantwortung, Möglichkeiten, Gefahren, Geschrei. Dazu kommen dann irgendwelche neunmalklugen Sprüche: »Es entscheidet sich eh alles in den ersten zwei Lebensjahren.« Na, toll.
Das ist die Ausgangslage.
Zweitens: Überinformiertheit.
Wir sind überfordert und reagieren darauf, wie wir es gewohnt sind: Wir spezialisieren uns. Plötzlich geht es nicht mehr um die ganze, große Zukunft des kleinen, abhängigen Wesens, sondern nur noch um seine Windeln. Wie angenehm. Ein kleines, überschau- wie beherrschbares Gebiet mit Argumenten, Fachartikeln, mit Ursache und Wirkung.
Wir sind froh, dass wir endlich etwas tun können, knien uns noch tiefer ins Thema, lernen komische Sätze: »Die verarbeiten im Zellstoffmaterial des Saugkerns das gleiche Zeug, das bei Bootskielen gegen Algenbewuchs angewendet wird!« Oder: »Mit Stoffwindeln wird das Kind auch gleich automatisch breit gewickelt. Super für den Gelenkkopf und die Hüftpfanne.« Eltern werden Fachidioten.
Drittens: Überhöhung.
Im dritten Schritt werden Eltern zu Elternisten. Sie erkämpfen sich das Gefühl zurück, etwas im Moloch der ewig lauen Kompromissentscheidungen hundertprozentig richtig machen zu können. Es tut einfach unglaublich gut, wieder mal nur das Eine machen zu dürfen: das Beste! Das Ewigkomplizierte ist endlich eingedampft, kleingedampft. Und das wird gefeiert. Da wird das Kind lieber mit voller Windel und rotentzündetem Hintern noch eine dreiviertel Stunde in der
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