Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Manteltasche verborgenen Pistole ruhigen Schrittes zu dem Feld. Nachdem er sich dort kurz mit einer Arbeiterin unterhalten hatte, sprang er auf sein Opfer zu, das die bisherigen Schüsse nicht auf sich bezogen hatte und in gebückter Stellung arbeitete. Auf geringe Entfernung schoss er auf das Mädchen, wobei er auf dessen Kopf zielte. Margarete S. sank sofort zu Boden. Der Angeklagte trat hinzu, bückte sich und feuerte zwei weitere Pistolenschüsse auf ihren Kopf ab. Die Schüsse hatten den sofortigen Tod zur Folge. Der Angeklagte wandte sich beim Weggehen nochmals nach seinem Opfer um und gab dabei mit triumphierender Miene aus der Pistole einen Schuss in die Luft ab, um seiner Befriedigung über die gelungene Tat Ausdruck zu verleihen.«
Nach Auffassung des Gerichts trieben den Täter die »Rachsucht gegenüber den Eltern«, die ihn als Schwiegersohn abgelehnt hatten, und »Missgunst und verletzte Eitelkeit«, weil seine Avancen von Margarete S. nicht erwidert worden waren. Aber auch Mordlust sei handlungsbestimmend gewesen, die als »unnatürliche Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens« definiert wird. Auf welcher seelischen Beeinträchtigung »eine solche abartige innere Genugtuung« beruht, sei »unwesentlich«.
Die Lust am Töten im Sinne des Paragraphen 211 des Strafgesetzbuchs (Mord) wird ausdrücklich als sogenannter niedriger Beweggrund genannt, weil in diesen Fällen eine verachtenswerte, besondere sozialethische Verwerflichkeit anzunehmen ist. Deshalb wird derjenige, der aus Mordlust tötet, zwingend mit lebenslänglichem Freiheitsentzug sanktioniert. Eine härtere Strafe kennt das Gesetz nicht.
Anfangs herrschte unter den Juristen in Deutschland Unsicherheit, auf welche Fälle das besagte BGH-Urteil Anwendung finden kann. Soll. Muss. Mittlerweile gab es weitere Ausschärfungen. Demnach handelt jemand ebenfalls aus Mordlust, dessen Handeln auf den Tötungsakt selbst fokussiert ist, indem er beispielsweise mutwillig oder willkürlich einem ihm fremden Menschen das Leben nimmt. Oder er mordet aus Angeberei oder Zeitvertreib. Oder er betrachtet die Tötung als nervliches Stimulans oder sportliche Herausforderung – Thrill-Kill. Entscheidungserheblich ist in jedem Fall die menschenverachtende Zielrichtung des Täters, eine von innen heraus wirkende Motivation. Durch die Ermordung des Opfers darf aber kein andersartiger, übergeordneter Zweck verfolgt werden (zum Beispiel bei Morden aus Habgier oder aus sexuellen Gründen), die Tötung selbst ist der Zweck.
Das juristische Konzept der Mordlust steht auch für die monströs anmutende Kreativität der menschlichen Bestialität, es zeigt sich, wie viele hochabnorme Spielarten des unbedingten Vernichtungswillens die beschädigte menschliche Psyche hervorzubringen vermag. Und genau in diesem Kontext soll das vorliegende Buch erstmals aufklären und erklären, Fragen beantworten, die bislang noch nicht gestellt worden sind: Was sind das für Menschen, die Freude empfinden können, wenn sie ein Opfer niedermetzeln? Kann man die Täter typisieren, charakterisieren? Gibt es eine Art Täterprofil? Unter welchen Voraussetzungen und wie passieren solche Taten? Existieren wiederkehrende Tatelemente? Ist ein Muster zu erkennen, das alle Taten und Täter verbindet? Wer sind die Opfer? Weshalb geraten sie in tödliche Gefahr? Und nicht zuletzt: Was genau passiert, wenn jene dunkle Seite, die wir so gerne leugnen und vor uns selbst verbergen, letztlich doch die Oberhand gewinnt? Wo liegen die Ursachen für solch maßlose Verbrechen?
Wer sich mit der Mordlust auseinandersetzen will, der muss genau hinsehen, der muss auch bereit sein, das Leid anderer Menschen zu teilen, unmenschliche Gewalt zu ertragen. Denn davon handelt dieses Buch. Es wäre eine unvollständige, vor allem eine verharmlosende Darstellung, wenn die Gewalt in all ihren Erscheinungsformen ausgeklammert würde, aus Pietät den Opfern und deren Angehörigen gegenüber. Insofern tut es not, eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen, will man sich dem Phänomen der Mordlust tatsächlich nähern.
Stephan Harbort
Düsseldorf, im April 2013
Böse aus Freude
Ein früher Morgen im späten April, nahezu wolkenlos. Erste Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg. Die grünen Wiesen und gelben Rapsfelder ringsum sind noch feucht vom Regen, den die Nacht gebracht hat. Es geht ein leichter Wind. Aus dem nahen Buchenwald dringt Vogelgezwitscher herüber, das hin und wieder vom trommelwirbelartigen
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