Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
ist bei ihm von »Alexithymie« die Rede. Es handelt sich dabei nicht um eine Krankheit, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal. Betroffene nehmen Gefühle nicht wahr und können sie demzufolge auch nicht beschreiben, möglicherweise haben sie aber auch gar keine Empfindungen, sie sind gefühlstaub. Vielleicht hat Konstantin Färber nach der Tötung von Bertha Juskowiak deshalb nicht emotional reagiert, weil er dazu gar nicht fähig ist. Nur erklärt auch diese Annahme nicht, warum die Tat passiert ist. Selbst den Experten für die Abgründe der menschlichen Seele ist es nicht gelungen, dieses Rätsel zu lösen.
Die Staatsanwaltschaft indes ist davon überzeugt, die Motivation des Angeklagten zu kennen, und plädiert zu Beginn der Hauptverhandlung schließlich auf »Mordlust«. Konstantin Färber soll nach Auffassung der Anklagebehörde zwischen 21 Uhr und 21.30 Uhr seine Wohnung verlassen und vor der Tür seiner Nachbarin die besagte Horrormaske vor das Gesicht gezogen haben. In einem kleinen Flur neben der Eingangstür sei es zu der tödlichen Messerattacke gekommen. »Der Angeklagte hat aus Mordlust grausam getötet«, erklärt der Staatsanwalt, warum die Tat passiert ist. Dem jungen Mann sei es ausschließlich darauf angekommen, einen Menschen in Todesangst zu versetzen und sterben zu sehen.
Konstantin Färber selbst ist anderer Meinung. Er habe die Tat nicht begangen, reklamiert er stoisch und will die erdrückenden Beweise nicht gelten lassen. Wenn es den ominösen Unbekannten gab, der spurlos in die Wohnung des Opfers eingedrungen ist, Bertha Juskowiak, ohne Spuren zu hinterlassen, getötet hat und genauso spurlos wieder verschwunden ist, wie ist dann das Blut des Opfers an der Halloween-Maske zu erklären? Und wie das Blut an dem Küchenmesser? Wie die Blutflecken auf der Rückseite seines Pullovers?
»Als der Notarzt den Tod der Frau festgestellt hatte, schickte mich ein Polizist nach oben, meinen Personalausweis zu holen«, versucht der Angeklagte zu erklären, was nicht zu erklären ist. »Der lag auf meinem Schreibtisch, wie die Maske. Wahrscheinlich habe ich sie mit meinen blutigen Händen berührt.« Danach will Konstatin Färber in die Küche gegangen sein und benutztes Geschirr zusammengeräumt haben. »Und dabei muss das Blut auf das Messer gekommen sein.« Um den Wahrheitsgehalt seiner Aussage überprüfen zu lassen, ist der Angeklagte sogar bereit, sich einem Lügendetektor-Test zu unterziehen. Der aber nicht stattfindet, weil gegen diese Form der Beweisführung in Deutschland grundsätzliche rechtliche Bedenken bestehen und das Gericht dazu auch keine Veranlassung sieht, weil bereits hieb- und stichfeste Beweise vorliegen.
Schließlich kommt der Tag der Urteilsverkündung, die mit Spannung erwartet wird, weil nach wie vor unklar geblieben ist, aus welchem Grund Konstantin Färber seine Nachbarin getötet hat. Der Angeklagte verfolgt die vorherigen Plädoyers der Staatsanwaltschaft und seines Verteidigers aufmerksam, sein maskenhaft wirkendes Gesicht lässt nicht erkennen, was in ihm vorgeht. Dann fragt ihn der Vorsitzende, ob er abschließend noch etwas sagen wolle – das letzte Wort des Angeklagten. Es steht ihm nach dem Gesetz grundsätzlich frei, was er sagen möchte. Und er könnte so lange sprechen, wie er wollte, nur bei einem eklatanten Missbrauch seines Rederechts dürfte seine Redezeit beschränkt werden.
Konstantin Färber könnte jetzt noch die Kurve kriegen und ein Geständnis ablegen. Er könnte um ein gerechtes Urteil bitten. Um Milde. Gnade. Er könnte auch an sein Opfer erinnern. An dessen Leiden. Oder er könnte einfach nur sagen, dass es ihm leidtut. Doch Konstantin Färber bleibt sich treu und sagt: »Ich möchte noch mal versichern, dass ich nichts mit der Tat zu tun habe. Wenn ich der Täter gewesen wäre, hätte ich ja alle Zeit der Welt gehabt, die Maske und das Messer verschwinden zu lassen. Ich weiß, dass die Beweise sehr belastend sind, aber ich bleibe dabei: Ich war es nicht!« Vielleicht hätte Konstantin Färber gerne auch etwas anderes gesagt, etwas Versöhnliches, etwas Angemessenes, etwas Bemerkenswertes, das Richtige, die Wahrheit, doch wird es wohl eher so gewesen sein, dass er gar nicht anders konnte, als sich zu rechtfertigen, sich hinter sinnlosen Sätzen zu verschanzen und so die dunkle Seite in ihm zu verbergen. Andernfalls hätte eine schmerzhafte Demaskierung gedroht, eine Bloßstellung, der er sich nicht gewachsen sah. Dann besser
Weitere Kostenlose Bücher