Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
verwarfen die Kriminalisten bereits vor einigen Tagen, weil Konstantin Färber als Ersthelfer unter Schock gestanden und demzufolge auch nicht situationsgerecht habe reagieren können. Deshalb sei er auch bei der Vernehmung als Zeuge so distanziert und emotionslos gewesen, obwohl er doch erst kurz zuvor ein entsetzlich zugerichtetes Mordopfer entdeckt habe. Zudem haben ihn seine widerspruchsfreie Aussage wie auch das freundschaftliche Verhältnis zu Bertha Juskowiak eher unverdächtig erscheinen lassen. Überhaupt habe man dem so gefasst wirkenden jungen Mann eine solche Tat, eine solche Eskalation der Gewalt nicht zugetraut. Und nicht zuletzt die Tatwaffe: Konstantin Färber dürfte zwischen der Tötung des Opfers und dem baldigen Eintreffen der Polizei nicht ausreichend Zeit geblieben sein, um das mittlerweile von den Rechtsmedizinern als mutmaßliche Tatwaffe qualifizierte Messer außerhalb des Hauses verschwinden zu lassen – schließlich ist die Mordwaffe bei den anschließenden, gewissenhaft durchgeführten Suchmaßnahmen nicht gefunden worden.
Nichtsdestotrotz verdächtigt die Kripo den jungen Mann des Mordes an Bertha Juskowiak und bringt ihn zur Vernehmung ins Präsidium. Der Beschuldigte reagiert auf den gravierenden Vorwurf gelassen und lässt auch keine Verunsicherung erkennen. Konstantin Färber wiederholt seine kurz nach dem Mord zu Protokoll gegebene Aussage, ohne wesentliche Abweichung und ohne sich zu widersprechen. Auch auf vermeintliche Ungereimtheiten weiß der junge Mann eine durchaus plausible Antwort zu geben, beispielsweise als er gefragt wird, warum er keine Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt habe: »Das war zum Selbstschutz, weil das Gesicht der Frau voller Blut war. Da beatmet man doch nicht von Mund zu Mund.« Nach mehreren Stunden sind die Vernehmungsbeamten mit ihrem Latein am Ende, Konstantin Färber darf gehen. So ist ihm jedenfalls nicht beizukommen, sollte er die Tat tatsächlich verübt haben.
Doch schon wenige Tage später wendet sich das Blatt, als das Gutachten der Blutspurenanalyse vorliegt. Wissenschaftler der Universität Köln haben die Form der Blutspuren untersucht, die sich an Konstantin Färbers Kleidung befunden haben. Dazu muss man wissen: Schon seit Jahren erforschen Rechtsmediziner die gestaltliche Ausprägung von Blutspuren und deren Interpretation. Blut kann aus einer Wunde fließen, tröpfeln oder durch die Luft spitzen. Dabei hinterlässt es immer ein charakteristisches Muster, wenn es auf einen Gegenstand trifft und daran kleben bleibt. Allgemein lassen sich solche Blutspuren unter dem Aspekt der Dynamik ihrer Entstehung in Kontakt- und Formspuren unterscheiden. Spezifische Formspuren wie beispielsweise Tropf-, Abrinn- oder Abschleuderspuren lassen wiederum Rückschlüsse darauf zu, wie sie entstanden sind. Die Untersuchung der Morphologie dieser Blutspuren kann deshalb zur Rekonstruktion eines fraglichen Tatablaufs wertvolle Hinweise geben, weil auf die Reihenfolge und die Bewegungsdynamik von Tatabläufen geschlossen werden kann. Manchmal reichen schon wenige Tropfen Blut aus, um einen Mord nahezu lückenlos rekonstruieren zu können.
Der Sachverständige fand heraus, als er die Blutspuren an Konstantin Färbers zur Tatzeit getragenen Kleidung begutachtete, dass zwar etliche der Anhaftungen mit den Wiederbelebungsversuchen zu erklären sind, so etwa die Blutflecken an seinen Schuhen. Allerdings nicht alle: 15 Blutspritzer auf der Rückseite des Pullovers, Partikel von Fett- und Herzmuskelgewebe am rechten Ärmel und drei Blutflecken an der Rückseite der Jeans, die von oben nach unten verlaufen und geformt sind – wie ein Ausrufezeichen.
Aus diesen Blutspurenmustern folgt nach Einschätzung des Gutachters zwingend, dass Bertha Juskowiak mit blutenden Händen versucht haben muss, den Arm des Angreifers abzuwehren. Dabei gelangten Partikel von Fett- und Herzmuskelgewebe des Opfers auf Konstantin Färbers rechten Ärmel. Der Angreifer holte beim Zustechen nach hinten über den Kopf aus, und dabei muss von seinem Messer Blut abgetropft sein, andernfalls hätten sich auf der Rückseite des Pullovers keine Blutflecken in Form eines Ausrufezeichens befinden dürfen, die nur dann entstehen, wenn Blut nach unten fällt.
Das Blutspurengutachten belastet Konstantin Färber schwer. Nur bleibt nach wie vor ungewiss, warum der junge Mann dieses grausige Verbrechen begangen haben könnte. Der Mordverdächtige führte bisher ein sehr unauffälliges Leben, eckte
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