Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausersehen

Ausersehen

Titel: Ausersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
Vom Netzwerk:
eigentlich interessiert mich altamerikanische Keramik nicht besonders.“ Dass Geheimratsecke wieder in meine persönliche Distanzzone eindrang, war wie ein Eimer kaltes Wasser in mein Gesicht. „Das ist mir viel zu unexotisch. Mir gefällt die griechische Antike besser und römische Kunst auch.“
    „Ah, verstehe. Was für ein faszinierendes Stück Sie da gerade bewundert haben!“
    Er streckte seine schwitzige Hand aus, bewegte sie zuckend wie eine Kakerlake ihre Beine, hob die Urne hoch und drehte sie um, um den Boden zu inspizieren. Ich beobachtete genau, ob sie auf ihn auch diese unheimliche Wirkung hatte, aber er blieb ganz er selbst: linkisch.
    „Fällt Ihnen etwas, na ja, Komisches an der Vase auf?“
    „Nein. Es ist eine sehr gut gemachte Reproduktion, aber ich kann nichts Ungewöhnliches an Epona oder der Urne entdecken. Was meinen Sie denn?“
    Er stellte das Gefäß wieder hin und betupfte sich die Oberlippe mit einem schweißfeuchten Taschentuch.
    „Na ja, sie kam mir eben, wie soll ich sagen, warm vor, als ich sie angefasst habe.“ Ich schaute ihm in die Augen und fragte mich, ob meine gestörte Sinneswahrnehmung schon offensichtlich war.
    „Vielleicht darf ich Sie darauf hinweisen, dass das von Ihrer eigenen, freigebigen Körperwärme hervorgerufen worden sein könnte?“
    Er lehnte sich noch weiter zu mir, sodass er seine spitze Nase fast in mein Dekolleté tauchen konnte. Er sabberte beinah. Igitt.
    „Wissen Sie, Sie könnten recht haben“, erwiderte ich säuselnd. Er hielt den Atem an und befeuchtete sich wieder die Lippen. Ich flüsterte: „Ich glaube, ich habe noch leicht erhöhte Temperatur. Ich scheine diese fiese Pilzinfektion einfach nicht loszuwerden. Und bei der schwülen Luft hier …“ Ich lächelte und schüttelte mich leicht.
    „Ach Gottchen! Ach du meine Güte!“
    Geheimratsecke trat flink zwei Schritte zurück. Ich lächelte und folgte ihm. Er ging weiter rückwärts.
    „Ich glaube, ich kehre lieber zu meiner Glassammlung aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise zurück. Womöglich verpasse ich noch den Beginn der Auktion. Ihnen dann noch viel Glück!“ Er drehte sich um und eilte davon.
    Manche Männer können extrem nervig sein, aber sie sind auch leicht loszuwerden. Man muss nur die gefürchtete Frauenproblem-Karte ziehen und kann dann genüsslich beobachten, wie sie die Flucht ergreifen. Mir gefällt der Gedanke, dass Gott uns diese kleine Hintertür als ausgleichende Gerechtigkeit offen gelassen hat. Ich meine, immerhin sind wir diejenigen, die die Kinder zur Welt bringen.
    „Also, was ist los mit dieser verdammten Vase?“ Das war einfach zu sehr Twilight Zone für meinen Geschmack. Verschwommener Blick – Atemlosigkeit – heiße Tongefäße – die gleichen Haare wie ich. Oh, bitte, dachte ich, bestimmt habe ich nur verfrüht einsetzende Hitzewallungen (zwanzig Jahre zu früh – okay, fünfzehn Jahre, mindestens). Ich beschloss, mich der Quelle des Übels zuzuwenden, der gefürchteten, geheimnisvollen Vase … Urne … verflixten Tonkanne.
    Sie sah völlig harmlos aus, als Geheimratsecke sie hochhob. Feuchtigkeit glitzerte an den Stellen, wo er die glänzende Oberfläche mit seinen verschwitzten kleinen Fingern begrapscht hatte. Ich atmete ein. Tief. Es war mit Sicherheit ein faszinierendes Gefäß. Ich blinzelte und beugte mich vor, um es näher zu betrachten, allerdings ohne es zu berühren. Das Haar der Hohepriesterin sah wirklich wie meins aus, nur länger. Der Stoff, in den der rechte Arm gehüllt war, war cremefarben und wirkte durchscheinend und rein. Ihre Haltung war durchaus anmutig und schön, der Arm ausgestreckt, die Handfläche offen, gehoben und leicht gedreht. Sie schien die ihr angebotenen Gaben dankbar anzunehmen. Ein wunderschönes goldenes Band zierte ihren Oberarm, und goldene Armreifen schmückten ihr Handgelenk. Sie trug keine Ringe, aber ihr Handrücken schien mit einem Muster verziert zu sein …
    „Oh mein Gott!“ Ich schlug die Hand vor den Mund, um meinen Aufschrei zu ersticken. Mir wurde flau im Magen, und plötzlich fiel mir das Atmen schwer. Was sie auf dem Handrücken hatte, war weder eine Tätowierung noch irgendein Schmuck. Es war eine Narbe. Eine Narbe, die nach einer Verbrennung dritten Grades zurückgeblieben war. Das wusste ich, weil meine Hand mit dem gleichen Zeichen „geschmückt“ war.

3. KAPITEL
    Ladys und Gentlemen, wir wollen nun mit der Versteigerung beginnen. Bitte begeben Sie sich zu Los Nummer eins, direkt

Weitere Kostenlose Bücher