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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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müssen ihre Kinder auch jeden Morgen zur Schule oder zur Haltestelle bringen, und die wohnen in Stuttgart.«
    Werner nickte. »Was noch?«
    »Das war alles«, sagte der Makler erleichtert.
    Paradise Valley sah genau so aus, wie der Name klang: ein über verträumt aussehende, dicht bewaldete Täler des beginnenden Appalachengebirges verteilter Ort, in dem man ohne eigenes Auto verraten und verkauft war. Das Lokalisierungsteam wurde in einem direkt an der Bundesstraße 940 gelegenen Hotel einquartiert. Wer nicht im Hotelrestaurant essen wollte, hatte als Alternative den wenig Vertrauen einflößenden Burger-Stand an der Tankstelle auf der anderen Seite der Straße. Ansonsten waren ringsum Wald und Wiese, jedes Zimmer hatte Kabelfernsehen mit hundert Kanälen, und der Bus würde sie morgens abholen und abends zurückbringen.
    Wie sich herausstellte, war das eine Fahrt von etlichen Meilen, die jeden Morgen ausgiebig Gelegenheit bot, die großen Villen und weitläufigen Anwesen der Einheimischen zu bewundern, die überall in der Landschaft verstreut lagen. Außerdem schnitten ihnen Kinder, die auf den Schulbus warteten, beim Vorbeifahren wüste Grimassen oder warfen ihnen kleine Steine hinterher.
    »Das machen sie, weil wir New Yorker Nummernschilder haben«, sagte der Fahrer, als erkläre das alles.
    Das Entwicklungszentrum befand sich in einem modernen zweistöckigen Bau in den Firmenfarben, der hauptsächlich den technischen Service beherbergte, jene Abteilung also, die die Software bei Kunden installierte, Updates durchführte und die man anrief, wenn Probleme auftraten. Die Anhöhe, auf der das Gebäude stand, bot eine Aussicht, für die sich auch eine exklusive Kurklinik nicht geschämt hätte, und allein der Grund und Boden des Parkplatzes darum herum hätte in New York mehr gekostet als ganz Paradise Valley.
    Der Eindruck von Großzügigkeit verflog, sobald man das Gebäude betrat. Die Gänge waren schmal und dunkel und rochen muffig. Das Büro im ersten Stock, in dem man sie unterbrachte, sah wahrhaftig genau so aus wie in amerikanischen Filmen: Für jeden gab es eine von Stellwänden umzäunte Box, in der ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Aktenschrank und ein Computer standen und die gerade so groß war, dass man mit ausgestreckten Armen jeden Punkt darin erreichte. Bis auf den Computer wackelte schon alles, dabei war das Gebäude keine zwei Jahre alt. Das Ganze sah verdammt noch mal nach Käfighaltung von Angestellten aus.
    Zumindest, was die unterste Ebene anbelangte. Schon bei der nächsten Stufe in der Firmenhierarchie sahen die Büros deutlich besser aus. Der Leiter des Lokalisierungsprojekts hieß John Murray, ein Schwarzer mit schmalen, langgliedrigen Händen, der niemals lächelte. Sein Büro hatte eine Tür, die er hinter sich zumachen konnte und auch zumachte, ein großes Fenster, von dem aus man über die beeindruckenden Wälder blickte, und eine solide Einrichtung.
    So ein Büro, beschloss Markus, war das nächste Etappenziel.
    Am nächsten Tag begann die Arbeit. Markus nahm sich als Erstes die Eingabeformulare vor. Am Morgen fand er bereits Ausdrucke sämtlicher Masken vor, und es war geradezu ein Spaziergang, sie einzudeutschen. An einigen Stellen würde der Platz auf dem Bildschirm ein bisschen eng werden, aber das war das Problem der Entwickler, nicht seines. Am frühen Nachmittag hatte Markus alle Masken und die Hälfte aller Reports durch und fing an, sich zu fragen, was er die ganzen sechs Monate eigentlich tun sollte.
    Die Antwort darauf bekam er, als er am nächsten Morgen das erste Mal mit Europa telefonierte, und zwar mit einer Wiener Steuerkanzlei, mit der die Firma einen Kooperationsvertrag hatte. Um acht Uhr morgens in Paradise Valley war es vierzehn Uhr in Wien, und sein Gesprächspartner, ein Dr. Beißwenger, erklärte ihm gleich zu Beginn, dass er pünktlich um sechzehn Uhr dreißig aufzuhören gewohnt sei.
    »So lange werden wir ja wohl nicht brauchen«, meinte Markus verdutzt.
    Das entlockte dem Mann am anderen Ende der Leitung ein herablassendes Lachen. »Junger Freund, wir werden noch sehr viel länger miteinander zu tun haben, als Sie sich gerade in Ihren schlimmsten Träumen vorstellen, glauben Sie mir.«
    »Wie das denn?«, fragte Markus arglos.
    Eine halbe Stunde später dämmerte ihm, dass er das besser nicht gefragt hätte.
    Eines der neuen Softwaremodule, das Lakeside and Rowe mitsamt der Firma, die es entwickelt hatte, aufgekauft hatten, diente dazu, die Kontobewegungen

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