Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
an und setzte den Tabak in seiner Pfeife bedachtsam in Brand. »Jedenfalls wurden die zugrundeliegenden mathematischen Methoden in den letzten dreißig Jahren dramatisch weiterentwickelt. An meinem Institut machen wir fast nichts anderes. Mustererkennung, automatische Klassifikation und solche Dinge«, fügte er paffend hinzu.
»Mustererkennung«, wiederholte Markus ahnungsvoll. »Lass mich raten. Du hast in diesen Tabellen Muster entdeckt.«
»Einwandfrei verschieden von willkürlich entstandenen Texten.« Er blies einen Rauchring zur Decke. »Die Geschichte fasziniert mich, seit ich das erste Mal davon gehört habe. Weißt du, dass Blocks Bohrung bei Steyr immer noch Öl fördert? Ich war dort. Es stimmt.« Julian zog Fotos aus der Mappe und reichte sie ihm. Eine Ölförderpumpe war darauf zu sehen, die einsam in einer hügeligen Landschaft stand, eingezäunt und von kargem Gebüsch umgeben.
»Nein, das wusste ich nicht«, gab Markus zu.
»Die Fördermenge hat sich in über vierzig Jahren nicht verringert. Aber das Erstaunlichste ist«, sagte Julian und sog genüsslich an seiner Pfeife, »dass niemand weiß, wo das Öl herkommt.«
»In dieser Gegend Österreichs wurde schon vor über hundert Jahren Öl gefördert.« Markus versuchte, sich der Details zu entsinnen. »Das Öl müsste entweder aus der Molassezone oder aus dem Wiener Becken stammen.«
»Eben nicht. Weder Ort noch Tiefe der Bohrung erlauben diesen Schluss. Außerdem hat man das Öl unlängst biochemisch analysiert. Es stammt eindeutig nicht aus den bekannten Reservoirs.« Julian beugte sich vor. »Deshalb wollte ich dich bitten, mir die Unterlagen komplett zur Verfügung zu stellen. Wobei mir Kopien natürlich genügen würden.«
Das also war das große Anliegen gewesen. Und dies der Zeitpunkt.
Markus betrachtete die Bilder mit gelinder Erschütterung. Er hatte von Blocks Ölquelle immer nur gehört, sie aber nie gesehen.
Er musste an das Versprechen denken, das er Block gegeben hatte.
Grundgütiger! Dass er hier in ein solches Dilemma geraten würde, hatte er nicht erwartet.
»Julian«, sagte er schließlich, »ich weiß offen gesagt nicht, ob es eine so gute Idee ist, das weiter zu verfolgen.« Wie das klang! Er redete wie ein alter Mann. Wie jemand, der sich endlich mit dem Leben arrangiert hat und nicht mehr will, dass sich noch einmal etwas daran ändert. »Block hatte einen Gedanken, den ich damals sehr überzeugend fand, der mich heute aber erschreckt.«
»Nämlich?«
»In der frühen Erdgeschichte hat es Zeiten gegeben, in denen der CO2 -Gehalt der Atmosphäre fünfmal so hoch war wie heute. Wohin ist dieses CO2 verschwunden? Oder der Kohlenstoff darin, besser gesagt? Blocks Theorie war, dass er durch bakterielle Zersetzungsprozesse in tiefe Erdschichten gelangt und dort in Öl und Kohle umgewandelt worden ist.« Markus rieb sich die Brust, in der er auf einmal eine beunruhigende Enge fühlte. »Wenn das stimmen sollte, bedeutet es, dass irgendwo noch genug Öl und Kohle lagert, um den CO2 -Gehalt der Atmosphäre zu verfünffachen. Kannst du dir vorstellen, was das bedeuten würde? Es wäre nicht nur der Todesstoß für das Weltklima. Es wäre das Ende der Menschheit. Wir würden damit eine Welt schaffen, in der wir nicht mehr leben können.«
In diesem Moment schellte eine schwere Messingglocke im Gebälk, von der ein dünnes Kabel an der Wand entlang führte und im Boden verschwand.
»Essenszeit«, lächelte Julian. Er löschte seine Pfeife. »Weißt du, ich habe nicht vor, ins Ölgeschäft einzusteigen. Mich reizt nur die Aufgabe.«
»Ja«, sagte Markus. »Aber so fängt es immer an. Klein und harmlos.«
– ENDE –
Danksagungen
I ch habe zu danken: Dr. Gabriel Frahm von der Uni versität Köln sowie dem Finanzberater André Kunze für ausführlichen Unterricht in Sachen Investmentbanking.
Meinem alten Freund Max Gapp für wesentliche Klarstellungen zu landwirtschaftlichen Fragen.
Meiner Kollegin Que Du Luu für ihren Rat zum Thema chinesische Namen.
Olaf Schilgen von der Firma AUDI für eine Einführung in den heutigen Stand nanotechnologischer Produktionsverfahren.
Maik Schönefeld für Hintergrundinformationen zum BWL -Studium.
Und wie immer meinem Kollegen Timothy Stahl für verlässliche Orientierung über den Alltag in den USA .
Wie stets gilt, dass keine dieser Personen dafür verantwortlich ist, was ich aus ihren Auskünften gemacht habe. Die Fehler sind alle von mir.
Weitere Kostenlose Bücher