Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
musste wie der Dorn an einer Rose.
Aber das Haus war ein Traum. Es stand direkt über einem Felshang am äußersten nordöstlichen Trauf der Schwäbischen Alb, und von der großen Terrasse ging der Blick über eine schier endlose, sanft gewellte Tiefebene, über Wälder, Bauernhöfe und Siedlungen, über mäandernde Flussufer und Bäche und Fischteiche. Unter der Terrasse lag die Schwimmhalle, die genau den gleichen Ausblick bot. Das Haus selbst war großzügig, elegant und geschmackvoll gebaut, bot Platz für mindestens vier Kinder, für Werners Hobbyraum … Es hatte einfach alles, was ein Herz nur begehren konnte. Gut, es lag ziemlich einsam und abseits, aber das hier war keine Gegend, in der schlimme Dinge passierten. Werner würde es ein bisschen weiter in die Firma haben, als sie sich vorgestellt hatten. Doch das war es wert.
»Der Vorbesitzer«, erklärte der Makler, nachdem er wieder zu ihnen gestoßen war und Werner ihn gefragt hatte, »hat über unsere Agentur ein schönes Anwesen gefunden, eine Art Landsitz – einen historischen Gutshof, sehr exklusive Gelegenheit.« Er lächelte, offenbar erfüllt von professioneller Genugtuung. »Er scheint sich damit eine Art Jugendtraum zu erfüllen.«
Dorothea war erleichtert, das zu hören. Sie hätte kein gutes Gefühl bei der Sache gehabt, wenn eine Pleite der Grund für den Verkauf gewesen wäre.
Werner sagte: »Schön für ihn.« Er meinte natürlich, ›schön für uns‹, das war ihm anzusehen.
Dorothea hatte sich in ihren kühnsten Träumen nie vorgestellt, einmal so zu wohnen. Selbst Filmstars und Millionäre mussten blass vor Neid werden, wenn sie dieses Haus sahen. Und ihnen wurde es angeboten! Sie brauchten nur ja zu sagen! Und das bloß, weil Werner im selben Geländewagen-Club war wie der Besitzer der Immobilienagentur, der Chef dieses Mannes hier.
Der zog gerade ein kariertes Blatt mit Notizen aus seiner überquellenden Mappe. »Der Vorbesitzer hat ein paar Punkte notiert, auf die wir Interessenten aufmerksam machen sollen. Nachteile des Hauses, gewissermaßen«, fügte er hinzu, in einem Tonfall, als sei ihm der Gedanke fremd, Objekte, die seine Agentur anbot, könnten so etwas wie Nachteile aufweisen. »Das war ihm sehr wichtig.«
Dorothea holte tief Luft. »Anständig von ihm«, meinte sie.
Der Makler lächelte schmerzlich. »Ja. Der Vorbesitzer ist ein sehr korrekter Mann.« Er konsultierte die Liste. Lang schien sie nicht zu sein, zum Glück. »Also, am allerwichtigsten ist, dass Sie sich darüber im Klaren sein müssen, dass dieses Haus aufwändig zu heizen ist. Es ist in den sechziger Jahren gebaut worden. Die Wärmedämmung entspricht nicht dem, was heute üblich ist. Dazu die vielen großen Räume, die hohen Decken und so weiter … Rechnen Sie damit, dass Sie doppelt so viel Öl brauchen werden wie in einem normalen Haus dieser Größe.«
Werner nickte gefasst. »Wegen des Schwimmbads.«
»Ja, und wegen der exponierten Lage. Im Winter haben Sie hier kalte Nordwinde, die zweihundert Kilometer Anlauf nehmen, ehe sie auf das Haus treffen. Das kostet.«
Werner und Dorothea wechselten einen Blick. Diesen Luxus, sagte dieser Blick, würden sie sich leisten. Werner hatte einen guten, sicheren Job, und er war erst vor kurzem befördert worden.
»Gut, und weiter?«, wollte Werner wissen.
»Sie müssen damit rechnen, dass Sie zwei Autos brauchen, wenn Sie hier wohnen. Der nächste Supermarkt ist in Duffendorf, das sind fast zwanzig Kilometer.« Er wedelte mit dem Zettel. »Das ist übrigens nicht ganz richtig; im Dorf unten gibt es einen kleinen Laden. Nicht sehr groß und auch nicht billig, aber wenn einem mal die Butter ausgeht oder man rasch drei Eier braucht, das kriegen Sie da jederzeit.«
»Kein Problem. Wir haben zwei Autos.« Wobei eins davon Werners Geländewagen war, sein Augapfel gewissermaßen. Und das andere der Firmenwagen. Eines der beiden Fahrzeuge würde er ihr überlassen müssen, und sie würde sich daran gewöhnen müssen, wieder selber zu fahren.
Aber gut. Man gewöhnt sich an alles, wenn es sein muss.
»Der Schulbus fährt ebenfalls nur unten vom Dorf aus. Die Haltestelle ist vor dem Rathaus.«
Dorothea nickte. Ihr Sohn ging in die vierte Klasse, da war das natürlich wichtig. Und sie würden es nicht bei einem Kind belassen. Nicht mit einem so großen Haus. »Das werden wir schon irgendwie schaffen.« Sie sah Werner an, auf einmal erfüllt von der Sorge, er könnte es sich anders überlegen. »Irene und Ruth
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