Ausgebremst
in seinem Cockpit verbrennt. Oder geköpft wird wie Tom Pryce 1977 in Kyalami. Der Feuerlöscher eines südafrikanischen Streckenposten, der die Piste überqueren wollte, schlug dem Shadow-Piloten den Kopf ab. Ein schneller Tod.
Es gibt Leute, die problemlos so schnell einschlafen können. Theresa war so ein Fall. Sie legte sich hin, und weg war sie.
Nicht die Freude am Leid drängt mich zu den Unfällen, sondern die Sehnsucht nach Betäubung. Das möchte ich betonen. Alle warten ja nur darauf, einem verurteilten Mörder auch noch sadistische Tendenzen in die Schuhe zu schieben. Obwohl es mir egal sein müßte. Im Vergleich zu meiner Verurteilung wäre diese Ungerechtigkeit ja gar nicht der Rede wert.
An einem durchschnittlichen Tag, an dem meine Nervosität nicht übermäßig groß ist, genügt es mir ohnehin vollkommen, mit einem normalen Grand Prix der Unschlagbaren einzuschlafen. Kein besonderer Unfall, kein Überschlag, kein Feuer, kein aus dem Cockpit geschleuderter Schalensitz samt angeschnalltem Fahrer, kein gefüllter Sturzhelm am Streckenrand von Kyalami, während das Rennen weiterläuft.
Meine Gewohnheit hat auch nichts damit zu tun, daß ich siebzehn Jahre meines Lebens als Fanartikelhändler mit meinem Wohnmobil von Grand Prix zu Grand Prix reiste. Würde ich hier in Stein der Beschäftigungstherapeutin von meiner Gewohnheit erzählen, hätte sie sicher sofort diese Interpretation parat.
Dabei war meine Ära als Fanartikelhändler die sicherste der gesamten Formel-1-Geschichte. In den ersten Jahren hat es noch ein paar Fahrer erwischt, besonders im Horrorjahr 1982. mit den Unfällen von Gilles Villeneuve, Riccardo Paletti und Didier Pironi.
Aber dann kam die gute Zeit. Ein Triumph der Sicherheitstechnik. Zwölf Jahre lang kein einziger Toter in der Formel 1. Darüber freuten sich noch alle, als die Fanartikelhändler schon anfingen, wie die Fliegen zu sterben.
Liebe Theresa!
Deine Briefe sind mir eine große Hilfe. Du bist der einzige Mensch, der mir schreibt, und ich weiß nicht, wie oft ich deinen letzten Brief schon gelesen habe. Ich verstehe, daß du dich sorgst wegen der Gewalt in den Gefängnissen. Auch ich mußte über vierzig Jahre alt werden, bevor ich zum erstenmal ein Gefängnis von innen sah. Ich kenne also die Vorstellung, die man sich draußen vom Gefängnisalltag macht. Drogen, Gewalt, Vergewaltigung. Wie du aber weißt (manchmal haben wir uns früher darüber unterhalten), sind Leiden, die man sich nur vorstellt, in gewisser Weise viel schwerer zu meistern als solche, die einem tatsächlich widerfahren. Auf dem Beifahrersitz eines Autos oder gar auf dem Rücksitz eines Motorrades fürchtet man sich wesentlich mehr, als wenn man selbst das Steuer in der Hand hat. In der Formel 1 gibt es ein gutes Beispiel dafür. Manchmal passiert es, daß ein Auto in einer der letzten Runden oder sogar in der Auslaufrunde den Geist aufgibt. Dann müßte der Fahrer oft zwei Kilometer zu Fuß zurück zu den Boxen gehen. Und das im Tumult nach Rennende und in der schweren Rennfahrermontur (vier Kilo inklusive Helm). Deshalb werden diese Fahrer meistens von einem Kollegen «huckepack» mitgenommen. Der Autostopper setzt sich hinter dem Cockpit auf die Motorabdeckung, so daß sich ein richtig fröhliches Bild ergibt, das mich immer an kleine Kinder erinnert, die auf den Schultern ihres Vaters thronen. Natürlich fährt der Chauffeur dieses doppelt besetzten
Rennwagens dann sehr langsam zu den Boxen zurück, um seinen Gast nicht zu gefährden. Ronnie Peterson erklärte einmal nach so einer Huckepackfahrt mit vielleicht vierzig Stundenkilometern, er hätte sich zu Tode gefürchtet. Derselbe Fahrer, der eben noch mit dreihundert Stundenkilometern über denselben Kurs gerast war! Neuerdings hat die FIA übrigens die Huckepackfahrten unter Strafe gestellt. In ihrem Sicherheitswahn verbieten sie alles. Bald werden die Autos ferngesteuert ohne Fahrer unterwegs sein. Ich weiß, du magst es nicht, wenn ich zuviel von den Rennen erzähle. Seit wir uns kennen, war es ein Streitthema zwischen uns. Für dich gab es nie etwas Öderes als die Sonntagnachmittage mit Grand Prix im Fernsehen. Ich will dir eigentlich nur sagen, daß du dir wegen der Gewalt im Gefängnis keine Sorgen machen mußt. Freilich gibt es sie, das will ich nicht leugnen. Auf fast lächerliche Weise herrscht hier eine strenge Hackordnung. Sie ist leicht zu durchschauen. Leichter als die Hierarchie in so manchem Formel-1-Team. Wie überall im
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