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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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I
    Die
Son­ne scheint in das Bü­ro der Grab­denk­mals­fir­ma Hein­rich Kroll & Söh­ne. Es ist
April 1923, und das Ge­schäft geht gut. Das Früh­jahr hat uns nicht im Stich
ge­las­sen, wir ver­kau­fen glän­zend und wer­den arm da­durch, aber was kön­nen wir
ma­chen – der Tod ist un­er­bitt­lich und nicht ab­zu­wei­sen, und mensch­li­che Trau­er
ver­langt nun ein­mal nach Mo­nu­men­ten in Sand­stein, Mar­mor und, wenn das
Schuld­ge­fühl oder die Erb­schaft be­trächt­lich sind, so­gar nach dem kost­ba­ren,
schwar­zen, schwe­di­schen Gra­nit, all­sei­tig po­liert. Herbst und Früh­jahr sind die
bes­ten Jah­res­zei­ten für die Händ­ler mit den Uten­si­li­en der Trau­er – dann
ster­ben mehr Men­schen als im Som­mer und im Win­ter –; im Herbst, weil die Säf­te
schwin­den, und im Früh­jahr, weil sie er­wa­chen und den ge­schwäch­ten Kör­per
ver­zeh­ren wie ein zu di­cker Docht ei­ne zu dün­ne Ker­ze. Das we­nigs­tens be­haup­tet
un­ser rüh­rigs­ter Agent, der To­ten­grä­ber Lie­ben­nann vom Stadt­fried­hof, und der
muß es wis­sen; er ist acht­zig Jah­re alt, hat über zehn­tau­send Lei­chen
ein­ge­gra­ben, sich von sei­ner Pro­vi­si­on an Grab­denk­mä­lern ein Haus am Fluß mit
ei­nem Gar­ten und ei­ner Fo­rel­len­zucht ge­kauft und ist durch sei­nen Be­ruf ein
ab­ge­klär­ter Schnapstrin­ker ge­wor­den. Das ein­zi­ge, was er haßt, ist das
Kre­ma­to­ri­um der Stadt. Es ist un­lau­te­re Kon­kur­renz. Wir mö­gen es auch nicht. An
Ur­nen ist nichts zu ver­die­nen.
    Ich
se­he auf die Uhr. Es ist kurz vor Mit­tag, und da heu­te Sonn­abend ist, ma­che ich
Schluß. Ich stül­pe den Blech­de­ckel auf die Schreib­ma­schi­ne, tra­ge den
Ver­viel­fäl­ti­gungs­ap­pa­rat «Pre­sto» hin­ter den Vor­hang, räu­me die Stein­pro­ben
bei­sei­te und neh­me die pho­to­gra­phi­schen Ab­zü­ge von Krie­ger­denk­mä­lern und
künst­le­ri­schem Grab­schmuck aus dem Fi­xier­bad. Ich bin nicht nur Re­kla­me­chef,
Zeich­ner und Buch­hal­ter der Fir­ma; ich bin seit ei­nem Jahr auch ihr ein­zi­ger
Bü­ro­an­ge­stell­ter und als sol­cher nicht ein­mal vom Fach.
    Ge­nie­ße­risch
ho­le ich ei­ne Zi­gar­re aus der Schub­la­de. Es ist ei­ne schwar­ze Bra­sil. Der
Rei­sen­de für die Würt­tem­ber­gi­sche Me­tall­wa­ren­fa­brik hat sie mir am Mor­gen
ge­ge­ben, um hin­ter­her zu ver­su­chen, mir einen Pos­ten Bron­ze­krän­ze an­zu­dre­hen;
die Zi­gar­re ist al­so gut. Ich su­che nach Streich­höl­zern, aber, wie fast im­mer,
sind sie ver­legt. Zum Glück brennt ein klei­nes Feu­er im Ofen. Ich rol­le einen
Zehn­mark­schein zu­sam­men, hal­te ihn in die Glut und zün­de mir da­mit die Zi­gar­re
an. Das Feu­er im Ofen ist En­de April ei­gent­lich nicht mehr nö­tig; es ist nur ein
Ver­kaufsein­fall mei­nes Ar­beit­ge­bers Ge­org Kroll. Er glaubt, daß Leu­te in
Trau­er, die Geld aus­ge­ben müs­sen, das lie­ber in ei­nem war­men Zim­mer tun, als
wenn sie frie­ren. Trau­er sei be­reits ein Frie­ren der See­le, und wenn da­zu noch
kal­te Fü­ße kämen, sei es schwer, einen gu­ten Preis her­aus­zu­ho­len. Wär­me taue
auf; auch den Geld­beu­tel. Des­halb ist un­ser Bü­ro über­heizt, und un­se­re
Ver­tre­ter ha­ben als obers­ten Grund­satz ein­ge­paukt be­kom­men, nie bei kal­tem
Wet­ter oder Re­gen zu ver­su­chen, auf dem Fried­hof einen Ab­schluß zu ma­chen –
im­mer nur in der war­men Bu­de und, wenn mög­lich, nach dem Es­sen. Trau­er, Käl­te
und Hun­ger sind schlech­te Ge­schäfts­part­ner.
    Ich
wer­fe den Rest des Zehn­mark­scheins in den Ofen und rich­te mich auf. Im sel­ben
Mo­ment hö­re ich, wie im Hau­se ge­gen­über ein Fens­ter auf­ge­sto­ßen wird. Ich
brau­che nicht hin­zu­se­hen, um zu wis­sen, was los ist. Vor­sich­tig beu­ge ich mich
über den Tisch, als hät­te ich noch et­was an der Schreib­ma­schi­ne zu tun. Da­bei
schie­le ich ver­stoh­len in einen klei­nen Hand­spie­gel, den ich so ge­stellt ha­be,
daß ich das Fens­ter be­ob­ach­ten kann. Es ist, wie im­mer, Li­sa, die Frau des
Pfer­de­schläch­ters Wat­zek, die nackt dort steht und gähnt und sich reckt. Sie
ist erst jetzt auf­ge­stan­den. Die Stra­ße ist alt und schmal, Li­sa kann

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