Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Wecker nachts um zwei Uhr klingelt, bin ich gerade eingeschlafen. Mein Versprechen, Clara vor dem Kindergarten anzurufen, lässt mich aufschrecken. Ich betrachte mein derangiertes Gesicht im Spiegel und greife vorsichtshalber zum Telefon. Auf eine Bildübertragung will ich in diesem speziellen Fall lieber verzichten.
»Guten Morgen, mein Schatz. Heute gehe ich für uns einkaufen. Hast du einen Wunsch? Was soll ich dir mitbringen?« Clara wiederholt ihren Wunsch nach einem Hund. Meine Argumente, dass ich kein Tier im Flugzeug mitbringen kann, treffen auf taube Ohren.
»Warum bist du so heiser, Liebling?«, will Tobi wissen.
»Es ist hier mitten in der Nacht und ich glaube, ich habe mich ein wenig erkältet. Die Amis übertreiben es mit ihrer Klimatisierung. Habt einen schönen Tag. Ich bin bald wieder da.«
Frederik stimmt zu, einen Einkaufsbummel zu machen. Vollbepackt kommen wir aus der Shopping Mall zurück. Er verabschiedet sich auf sein Zimmer, um für die Probeaufnahmen am nächsten Tag fit zu sein. Ich hingegen, lasse es noch einmal richtig krachen und feiere Abschied vom Großstadtleben, vom Nachtleben und von Mike.
»Es wird für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass ich hier war. Morgen endet mein Auftrag. Ich muss mich langsam selbst um eine neue Einkommensquelle kümmern. Bisher war ich nur in Sachen Firmenrettung unterwegs. Aber lass uns über etwas Erfreuliches sprechen.«
»Mein Verleger plant, auch meine ausländischen Ausgaben als Hörbücher herauszubringen. Du hast eine so nette Stimme. Willst du das nicht übernehmen? Ich glaube, das wird ganz gut bezahlt. Wenn du zustimmst, werde ich ihn fragen. Marie, du hast mir so geholfen. Bitte lass mich jetzt etwas für dich tun!«
»Dein Sohn hat einen ungemein niedlichen Akzent. Er wird bei den Damen gut ankommen. Nicht unwichtig beim Verkauf von Kosmetik«, sagt Norman.
»Hat er das Casting bestanden?«
»Er hat Ahnung, Talent und er ist dein Sohn. Ja sicher! Wir werden noch zusammen nachsehen, welche Termine möglich sind und dann geht es los.« Los, will ich auch. Ich plane über Paris mit Anschluss nach Nizza zu fliegen. Weiter auf Frederik zu warten, macht keinen Sinn. Auf dem Flur gratuliere ich ihm.
»Ich bin verdammt stolz auf dich. Aus dem Deal mit der ersten Klasse entlasse ich dich heute noch einmal großzügig. Dafür habe ich etwas gut bei dir!« Auf einmal kann es mir nicht schnell genug gehen, wieder nach Hause zu kommen. Wenn alles reibungslos klappt, sollte ich in zwölf Stunden in Nizza landen.
Der goldene Oktober ist vorbei und die Zeit, sich von unseren Freunden und Nachbarn zu verabschieden, ist gekommen. Viele brechen auf, um in ihrer Heimat die Feiertage zu verbringen. Einige kommen bereits zu Beginn des neuen Jahres wieder zurück. Auf Jenny und Phillip muss ich bis März warten.
»Wird dir jetzt langweilig nur mit mir?«, fragt Tobi. Er weiß, dass ich kein Freund der dunklen Jahreszeit bin. Aber nach dem turbulenten Sommer, freue ich mich geradezu auf die gemütlichen Abende am Kamin. Unser Alltag ist von Entspannung und Harmonie geprägt. Keine Übernachtungsgäste, keine Reisen, keine Hiobsbotschaften. Ich sehe mir die erste Verkaufsshow mit Sarah als Expertin an. Die beigestellte Moderatorin macht ihren Job recht ordentlich. Ich ärgere mich, dass ich nicht früher auf die Idee gekommen bin, Sarah das Feld zu überlassen. Ich lasse mich vom Klingeln des Telefons nicht stören. Erst als ich höre, dass Tobi mit Mike spricht, erhebe ich mich vom Sofa. Tobi lacht unentwegt und macht keine Anstalten, mir den Hörer zu geben.
»Mikes Verleger bittet dich um Rückruf. Du sollst Hörbücher lesen? Was ist denn das schon wieder für eine Geschichte?«
»Es war ein Angebot von Mike. Ich hatte es schon ganz vergessen. Wo soll ich anrufen?« Tobias gibt mir einen Zettel mit einer Telefonnummer. Herr Kirchmann erklärt mir die Prozedur.
»Sie lesen spezielle Manuskripte. Für ein Buch haben wir rund dreißig Lesestunden eingeplant. Je nachdem, wie gut Sie sich anstellen. Das Tonstudio ist für eine Woche vom 10. Bis 15. November fest gebucht. Bis dahin müssen Sie fertig sein. Das Honorar verhandeln wir nach Ihrer Sprechprobe.«
»Wo werden denn die Aufnahmen gemacht?«
»In München.« Ich schaue meinen Mann fragend an. Lust habe ich schon und gegen eine kleine Finanzspritze ist auch nichts einzuwenden. Die Nächte könnte ich bei Sarah
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