Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
kostenfrei verbringen. Und es ist ja auch nur eine Woche.
»Sag schon zu!«, lacht Tobi. Er hat aufgehört, sich über meine Sprunghaftigkeit zu wundern. Er schüttelt nur amüsiert den Kopf.
»Ich dachte, du wolltest Bademoden entwerfen? Nun heißt es, meine Frau bespricht Hörbücher. Öfter mal was Neues. Als nächstes drehst du wohl einen Dokumentarfilm unter Wasser! Oder wonach steht dir dann der Sinn?«
»Deine Frau hat eben viele Talente.« In diesem Punkt muss er mir zustimmen.
Ich reise nach München zur Sprechprobe und werde von Herrn Kirchmann am Flughafen abgeholt. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dem jungen Mann nicht um den Verleger, sondern um den Gebietsleiter Hörbuch International. Er selbst kennt die Romane von Sutters gar nicht und hat auf seinem Flug das Manuskript nur kurz überflogen. Kirchmann gehört der Spezies Mann an, die sich selber gerne reden hört. Ich stelle auf Durchzug. Die Taxifahrt scheint nicht zu enden. Nach einer dreiviertel Stunde frage ich genervt, wo es denn hingeht.
»Das Münchner Studio war für heute schon ausgebucht. Wir mussten kurzfristig umdisponieren und nach Nürnberg ausweichen.«
»Davon hätten Sie besser während der Fahrt sprechen sollen!«, schimpfe ich. Meinen Rückflug am Abend werde ich von Nürnberg aus nie und nimmer schaffen. Ich rufe Tobias an und meckere im Beisein des Verantwortlichen über sein Unvermögen.
»Hört der Arme dir jetzt etwa zu?«
»Diese dumme Pfeife sitzt hier im Taxi direkt neben mir. Ja, Sie sind gemeint!« Tobi kann sich kaum vor Lachen halten. Kirchmann gilt sein ganzes Mitgefühl. Er hat eine grobe Vorstellung davon, was der arme Kerl von mir bis Nürnberg noch alles zu hören bekommen sollte.
»Ich kann nur hoffen, dass Sie bei der Sprechprobe einen anderen Ton anschlagen«, wehrt sich der Gebietsleiter Hörbuch International. Kirchmann und ich werden keine Freunde mehr. Bis zum Eintreffen lese ich die Manuskript Seiten durch. Als wir vor das Studio fahren, kann ich die ersten zwanzig Seiten fast auswendig aufsagen.
»Hey, du bist spät!« Mike begrüßt mich mit einem Wangenkuss.
»Schuld war der 30 km lange Stau! Aber was machst du hier? Ich bin total perplex. Ist das eine Überraschung!« Meine Mundwinkel verziehen sich wieder nach oben und ich mache ein freundliches Gesicht. Wir müssen uns beeilen. Das Studio ist nur noch für eine halbe Stunde frei. Ich lese die ersten vier Seiten ohne einen Versprecher. Kirchmann ist zufrieden und angesichts der engen Verbindung zum Autor wieder deutlich freundlicher. Sein Angebot für Honorar und Spesen ist akzeptabel. Er verabschiedet sich in Richtung Bahnhof und gibt Mike eine Karte des Hotels, in dem zwei Zimmer reserviert sind.
Die Taxifahrt dauert nur wenige Minuten. Mike ist von der rustikalen Einrichtung schwer begeistert. Wie die meisten Amerikaner die ich kenne, steht er auf Kitsch und schwere Eichenmöbel. Ich bitte die freundliche Rezeptionistin, eine Bahnverbindung nach München mit Anschlussflug nach Nizza für mich zu buchen. Wir essen fränkische Spezialitäten zu Abend, die ich mit »sehr lecker“, lobe. Aber die Musik nervt mich. Ich kann das volksmusikalische Gedudel nicht länger ertragen und schlage vor, noch einen kurzen Spaziergang zu machen. Die dezente Hintergrundmusik einer Weinstube in der Nürnberger Altstadt, lässt ungestörte Konversation zu und Mike lädt mich auf ein Glas ein.
»Mein Verlag ist schwer begeistert von meinem neuen Werk. Ich muss die letzten beiden Kapitel in der nächsten Woche abgeben. Die deutsche Ausgabe wird im März auf der Buchmesse in Leipzig vorgestellt. Dann bin ich wieder in Europa.« Er bedankt sich noch einmal dafür, dass ich ihn in seiner Trauer auffing. Viele seiner Bekannten hatten sich nach dem Tod seiner Frau komplett zurückgezogen. Ich bin die Einzige, die sich wirklich kümmert und ihn versteht.
»Du bist ein warmherziger, guter Mensch. Ich freue mich, dass wir Freunde sind. Trinken wir noch ein Glas zusammen?« Ich vertrage den Frankenwein weniger gut als den gewohnten leichten Rosé aus Frankreich.
»Lass uns lieber im Hotel noch einen Absacker nehmen. Sonst schaffe ich den Fußmarsch nicht mehr zurück. Ich glaube ich habe schon einen leichten Glimmer.« Die Hotelbar ist schon geschlossen. Der Nachtportier verweist freundlich auf die Minibar auf dem Zimmer. Er übergibt mir die Reiseunterlagen für den kommenden Morgen.
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