Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
von mir brav umgesetzt. Nach dem Erfolg der Kosmetikserie im Teleshopping, beschränken sich meine Reisen nach Berlin auf drei Tage im Monat. In der Firma schlage ich nur noch sporadisch auf. Die regelmäßigen Abstimmungen mit der Produktion habe ich Sophie übertragen. Seitdem habe ich den schönen Ulli nicht wieder gesehen. Die meiste Zeit der Woche verbringen Steffen und ich auf Besichtigungsmarathon mit Maklern im südlichen Hamburger Umland. Auf einem unserer Spaziergänge mit Bruno durch die Lüneburger Heide entdecken wir zufällig ein altes Bauerhaus. Das reetgedeckte Fachwerkhaus ist in einem desolaten Zustand. Hat aber Potential, wie Steffens Kollege Christian befindet. Der gute Freund und Geschäftspartner traut sich nach eingehender Begutachtung zu, den Kauf des Anwesens zu empfehlen. Das große Bauernhaus auf 3000 qm Grundstück bietet ausreichend Platz für eine großzügige Elternwohnung im Erdgeschoss und eine respektable Einliegerwohnungen unter dem Dach. Ich möchte für mein verwöhntes Einzelkind unbedingt eine Wohnmöglichkeit in der Nähe der Familie schaffen. Frederik, der an seiner Karriere in Düsseldorf bastelt, kommt nur noch jedes zweites Wochenende nach Hamburg, um seine drei Kinder zu besuchen. Die Zwillinge und ihre kleine Schwester wohnen zusammen mit Nadja noch immer in der alten Wohnung. Obwohl sich herausstellte, dass die kleine Lillie sein leibliches Kind ist, fand bisher keine Versöhnung zwischen den kleinen Junior Simons statt. Ihr Scheidungsverfahren läuft. Ich bin mir sicher, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Schließlich konnten Steffen und ich unserer Ehekrise auch überwinden. Frederik braucht nur einen kleinen Anstoß. Das ist meine feste Überzeugung. Wer sollte ihn besser schubsen können, als die eigene Mutter? Ich werde meinem Sohn schon die richtige Richtung weisen. Das Projekt Versöhnung genießt bei mir oberste Priorität.
Noch vor dem Winter erhielt das Fachwerkhaus ein neues Reetdach, neue Holzfenster und Haustüren. Viel Spielraum für architektonische Gestaltungsfreiheiten gibt es nicht. Die Kate steht unter Denkmalschutz und als neue Eigentümer halten wir uns strikt an die Vorgaben. Was die Inneneinrichtung betrifft kommt es schon zu häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen meinem Mann und mir. Steffen will das bäuerliche Ambiente umgesetzt wissen. Ich hingegen kann mich gar nicht mit dem rustikalen Landhausstil anfreunden und wünsche mir eine moderne Ausstattung. Beim Thema Badezimmer kommt es zum ersten lauten Streit.
»Wenn es nach dir geht, werde ich hier in einer Zinkwanne baden müssen. Statt fließend Warmwasser schenkst du mir wie im Mittelalter heiß in weißen Kannen nach«, schimpfe ich.
»Schwarze Schieferplatten an Wand und Boden?« Steffen winkt ab. »Bin ich Fotograf? Brauch ich eine Dunkelkammer?« Christian vermittelt zwischen uns Streithähnen.
»Der Mix macht's!« Auf dem Boden werden schwarzen Schieferplatten verlegt und die freistehende Wanne steht vor weißen Wänden. Der neue Steffen macht es mir aber auch nicht leicht. Kategorisch lehnt er jeden meiner Vorschläge ab. Sein neues Selbstbewusstsein empfinde ich als ganz schön anstrengend. Jahrzehnte lang traf ich allein die Entscheidungen. Jetzt, wo er auch einen kleinen finanziellen Beitrag leistet, muss ich mich kompromissbereit zeigen. Nachdem ich einen Termin mit dem ortsansässigen Gartenbauarchitekten am Telefon vereinbarte, fordere ich: »In den Garten redest du mir aber nicht rein!« Steffen schüttelt den Kopf.
»Du machst dir jetzt Gedanken über den Garten? Hier ist noch nicht ein einziger Raum bezugsfertig. Wir fahren dreimal die Woche von Hamburg hier her und kommen nicht voran. Das muss aufhören! Ich will noch vor Ostern hier einziehen.« Ich lasse nicht locker.
»Und ich will den Sommer nicht auf einem Acker sitzen. Es ist gerade jetzt die beste Pflanzzeit!«
»Du hast Recht, Marie. Viel wichtiger als Licht im Haus und eine Küche sind Blumen und Sträucher!« Zu gern würde ich eine Tür knallen, aber es sind noch keine vorhanden. Also stampfe ich wie ein bockiges Mädchen mit dem Fuß auf und setze so meinen Schlusspunkt. Steffen lacht mich aus und macht mich damit noch wütender. »Komm, lass uns zu meinen Eltern fahren. Hanna hat Kuchen gebacken und freut sich schon auf uns.«
»Ich helfe euch. Das wäre nicht das erste Haus, das ich renoviert habe«, bietet Karl an. Steffen und ich sehen uns
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