Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
lande ich einen Volltreffer. Sarahs sympathische und professionelle Moderation trägt wesentlich zum Erfolg der Verkaufssendung bei. Schon nach den ersten drei Ausstrahlungen haben wir das gesamte Startsortiment am ersten Tag verkauft. Der Sender ist begeistert und mir fällt ein Stein vom Herzen. Sarah bemerkt, dass ich wie ausgewechselt wirke.
»Seit dem du deine privaten Probleme im Griff hast, strahlst du wieder richtig.«
Steffen zog kurz nach der Eröffnung des Gesundheitshauses in ein 95 qm großes Appartement im noblen Schickimicki Viertel mit Blick auf den Hamburger Hafen. Bärbel hat ihm beim Einrichten geholfen.
»Das ist nicht zu übersehen. Geschmack ist eben nicht erlernbar«, sage ich zu ihm. Ich frage mich ständig, wie es angehen kann, dass jemand ein so gezieltes Händchen für No-Gos hat. Ich kenne Bärbel nur in übergroßen Lagenlook Kleidern. Geschmückt von unzähligen Holzperlenketten, die über ihren flachen, ungestützten Busen wippen. Ihre fleischigen Füße stecken auch im Winter in offenen Römer Sandalen. Bärbels Haare gleichen einem Dämmmaterial aus dem Baumarkt. Ich bin mir nicht sicher, ob Holz- oder Glaswolle. Schuld daran sind ihre häufigen Hennatönungen. Bärbel liebt die Farbe Lila. Diese Liebe ist auch in Steffens neuer Behausung nicht zu übersehen. Aber für die kurzen Schäferstündchen kann ich leicht darüber hinweg sehen. Ich habe ohnehin die meiste Zeit die Augen geschlossen. Seitdem ich den Konzertbesuch absagen musste, den ich Steffen vor unserer Trennung geschenkt habe, herrsch allerdings Funkstille zwischen uns. Ich musste mich zwischen Sir Elton John in Düsseldorf und Herrn Dr. Ulrich Lambert in Wismar entscheiden. Meine Wahl fiel auf den Inhaber des Produktionsbetriebes. Regelmäßige Kontrollbesuche bei Ulli, wie ich ihn nenne, gehören nun zu meinen Aufgaben.
»Deine Vorsätze, weniger auf Reisen zu gehen, hast du ja super umgesetzt!« Steffen brüllte so laut durch das Telefon, dass ich befürchtete, einen Hörsturz erlitten zu haben. Nun wird es aber Zeit, das Schweigen zu beenden. Ich will endlich wissen, wie er seinen 50. Geburtstag feiern will. Ich habe ihm schon mehrmals auf die Mailbox gesprochen, aber er rief nicht zurück. Ich werde ins Gesundheitshaus fahren und ihn direkt fragen.
Der Empfangsraum ist nicht besetzt. Ich klopfe an die Tür des Behandlungszimmers eins im Erdgeschoss und rufe leise durch den Spalt. »Hallo Bärbel?« Eine durchtrainierte Mittzwanzigerin erscheint im Foyer. Sie trägt einen knappen, bauchfreien Sportanzug, der ihre enorm großen Möpse bestens zur Geltung bringt.
»Hallo, ich bin Judith. Yoga für Anfänger?«
»Nein, ich möchte zu Herrn Simon.« Judith beugt sich gelenkig wie eine Kunstturnerin über den Tresen, um dann mit gestreckten Fingerspitzen an den Knopf der Telefonanlage zu kommen.
»Steffen, Spatzi, dein nächster Termin wartet hier unten. Darf ich dir die Dame raufschicken?« Ich staune nicht schlecht über das herzliche Betriebsklima im Gesundheitshaus.
»Sie dürfen schon raufgehen, Frau Meissner. Ich wünsche Ihnen angenehme Entspannung.« Die hat sich ja wohl das Hirn in die Titten verpflanzen lassen, denke ich. Oder wie kommt sie dazu, mich als Frau Meissner anzukündigen.
»Ich bin nicht Frau Meissner, meine Liebe, ich bin Frau Spatzi!« Ich gehe in den ersten Stock.
»Mahlzeit, mein Lieber. Danke, dass du zurück gerufen hast.« Steffen sitzt an seinem Schreibtisch und macht keine Anstalten aufzustehen, um mich zur Begrüßung zu küssen. Er ist also noch immer beleidigt und fragt mich, ohne seinen Kopf zu erheben: »Wie komme ich denn zu der Ehre?« Ich habe überhaupt keine Lust auf diese Spielchen und komme gleich zur Sache.
»Es geht um deinen Geburtstag. Wie hast du dir das Fest vorgestellt. Hast du schon genaue Vorstellungen?«
»Ich werde überrascht. Bärbel und Judith haben etwas für mich geplant. Ich weiß nur so viel, Treffen ist am Samstagabend um 19.00 Uhr hier vor der Praxis.«
»Was hast du? Dein Ton ist so merkwürdig?« Ich betrachte meinen Heilpraktiker Gatten in seinem schneeweißen Outfit.
»Komme oder komme nicht. Nur denke nicht, dass ich auf dich warte. Bitte entschuldige mich jetzt, ich habe gleich eine Patientin.« Er steht auf und öffnet mir die Tür. Ich sehe, wie die Busenfrau flink über den Flur huscht. Hat sie gelauscht? Was ist hier los? Wie kommt Steffen dazu, mir so eine Abfuhr zu
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