Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
nicht fertig.« Ich beäuge die Neue von oben bis unten. Nicht blass, sondern blutarm ist mein schnelles Urteil. Fade und unscheinbar. Kein Vergleich zu Nadja. Ich bin mit der potentiellen Verliererin höchst zufrieden. Steffen hat den Tisch gedeckt.
»Kaffee?« Aber er erhält statt einer Antwort nur ein müdes Lächeln. Ja oder nein, du blöde Kuh, denke ich. Fredrik sieht sich um.
»Ganz schön groß euer neuer Kasten. Hast du vor, von hier aus zu arbeiten?« Ich verkneife es mir, meine Idee von der Dachgeschosswohnung für Sohnemann schon zu verraten. Im Beisein dieser Schlaftablette soll dieses Thema nicht zur Sprache kommen. Das steht mal fest. Steffen ist in Fragelaune.
»Kommst du auch aus Düsseldorf?« Aber er erntet nur ein Nicken. Völlig falsche Technik erkenne ich sofort und versuche es auf meine Weise.
»Wo habt ihr euch denn kennen gelernt?« Sabrina sieht solange verstört zu ihrem Liebsten rüber, bis er für sie antwortet.
»Wir sind Arbeitskollegen.«
»Spricht deine Freundin nicht unsere Sprache?« Nachdem auch ich mit meiner offenen Fragestellung gescheitert bin, weiß ich auch nicht mehr weiter.
»Doch, sie ist nur schüchtern.« Wie alt ist sie, zwölf? Ich überlege, ob die Neue vielleicht schlechte oder gar keine Zähne hat. Das könnte ein plausibler Grund dafür sein, weshalb sie den Mund nicht aufmacht. Ich biete ihr ein Stück Kuchen an und beobachte sie genau dabei, wie sie den Löffel zu ihren geöffneten Lippen führt. Nein, Zähne hat sie. Nach schweigsamen zehn Minuten gibt die Neue einen Laut von sich.
»Toilette?« Steffen zeigt ihr den Weg zum offenen Gäste Bad. Offen, weil noch immer keine Tür zum Verschließen vorhanden sind.
»Sie geht nicht gern auf öffentliche Toiletten und wir wollen auch gleich los.« Ich fasse meine Eindrücke zusammen.
»Blutarme Schlaftablette mit schwacher Blase!« Ich finde dass, Valium die treffende Bezeichnung für die chancenlose Nachfolgerin ist.
»Was ist denn das für eine Totgeburt, die ist ja das komplette Gegenteil von Nadja.«
»Dann scheint sie wohl andere Qualitäten zu haben. Kann uns ja eigentlich auch egal sein, wir müssen sie ja nicht mögen. Und Marie, wir halten uns da ganz raus!«
»Genau!« Mein Mann sollte mich eigentlich besser kennen.
Allein sitze ich am neuen Esstisch und plane unsere große Einweihungsfeier mit Freunden, Kollegen und der Familie. Ursprünglich sollte das Fest schon am Karfreitag stattfinden. Doch der Sender bat mich, kurzfristig für einen Schuh Kollegen am Osterwochenende einzuspringen. Seine Produktion der Sommerkollektion mit Slingpumps und Sandalen wurde nicht rechtzeitig fertig. Ungern gab ich nach, obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wer an den Feiertagen im TV shoppt. Verärgert darüber, stimmte Steffen dann doch einem neuen Termin am Pfingstwochenende zu. Immerhin kann das Fest bei schönem Wetter im Garten stattfinden, der sich dank zahlreicher Sonnenstunden und regelmäßiger Bewässerung in eine grüne Oase verwandelt hat. Die Gästeliste umfasst bereits 49 Namen und ich bin mir sicher, dass mein Mann noch weitere Personen hinzufügen wird. Er ist noch nicht zu Hause, sondern gibt an diesem Abend sein altes Liebesnest in der Hafencity an den Vermieter zurück. Steffen freut sich, von nun an offiziell zur Landbevölkerung zu gehören. Mit geht das Telefongespräch vom Nachmittag mit Nadja nicht aus dem Kopf. Die Neuigkeit von der Neuen hat sich schnell zu ihr rumgesprochen und nun befürchtet sie, nicht mehr mit den Kindern kommen zu dürfen, wenn Freddy mit der Anderen im Haus ist. Ich heizte meiner Noch Schwiegertochter ein.
»Du wirst ihr doch wohl nicht kampflos das Feld überlassen. Selbstverständlich kommst du. Und die Kinder bringst du mit!« Die Entscheidung für die richtige Schwiegertochter fällt mir deutlich leichter, als die, für das passende Essen. Früher, als ich selbst noch ein Kind war, wurde bei meiner Großmutter, einer begnadeten Köchin, das gegessen, was auf den Tisch kam. Vegetarier und Veganer waren noch nicht erfunden und der Fisch wurde durchgebraten und nicht glasig serviert. So einfach ist es schon lange nicht mehr. Ein Blick in mein kulinarisches Notizbuch lässt mich leise aufstöhnen. Darin habe ich seit Jahren penibel notiert, wer, was nicht mag. Unter Familie ist verzeichnet, dass Steffen kein Fan von Pasta und Milchreis ist. Für Sohnemann sind seit
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