Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
entsetzt an. Wir wissen, was da auf uns zukommen würde. Das muss unbedingt verhindert werden. Karl ist als Schrecken aller Heimwerker Märkte bekannt. Regelmäßig ist er in der Holzabteilung anzutreffen und kauft sämtliche Reste und Abschnitte auf. Daraus baute er im Laufe seines Rentnerdaseins, Gartenzäune, Pavillons, Pergolen, Schuppen und eine Sauna. Karl gehört zu den hastigen Heimwerkern. Auf Zollstock und Wasserwaage verzichtet er beim Bau seiner Werke. Maßarbeit ist nicht sein Ding. Ist ein Brett zu kurz, flickt er ein Stück an. Ist etwas nicht dicht, werden die Löcher mit Bauschaum ausgefüllt. Weil Karl kein Freund von Holzschutz und Imprägnierung ist, sind viele seiner Erstlingswerke mittlerweile einsturzgefährdet. »Das ist lieb, aber nicht nötig«, lehne ich ab.
»Es kommt überhaupt nicht in Frage!«, bestimmt Steffen.
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Meine Verabredung mit dem Landschaftsgärtner Arno Stockmann habe ich auf die Mittagszeit gelegt. »Wenn wir keinen Frost mehr bekommen, können wir nächste Woche anfangen.« Der kräftige Mann, der am Ende der Straße seinen Betrieb für Gartenbau besitzt, schreitet mit seinen grünen Gummistiefeln das Grundstück ab. Ich folge dem kräftigen Naturburschen mit einer Mappe Zeichnungen, die ich zuvor in bunten Farben per Hand angefertigt habe.
»Nein, maßstabgetreu sind sie nicht. Aber sie sollen Ihnen ja auch nur verdeutlichen, wie ich mir das Ganze hier vorstelle.«
»Sie? Wir duzen uns hier alle. Das ist auf dem Land so üblich.« Noch einmal stelle ich mich dem neuen Nachbarn persönlich vor und kläre ihn wunschgemäß über unsere Familienkonstellation und den beruflichen Hintergrund auf. Arno zählt zu den Eingeborenen und kennt jeden Anwohner der kleinen Seelengemeinde. Viele Städter hatten sich das Haus zuvor schon angesehen, aber sie wurden vom Kaufpreis, dem hohen Renovierungsaufwand und nicht zuletzt von der 40 km Distanz zur Hamburger City abgeschreckt, erzählt er mir.
»Ich bin im Schützenverein und in der Freiwilligen Feuerwehr. Da machen alle Männer aus dem Ort mit. Frag deinen Steffen doch mal, ob er nicht auch Lust hat, mitzukommen.« Das werde ich ihm sicher vorschlagen, aber gefallen wird es ihm nicht. Da bin ich mir zu hundert Prozent sicher.
»Gut«, fasst Arno zusammen. »Wir werden das Grundstück zunächst Plan machen und danach setze ich dir den Holzzaun, damit du den Hund raus lassen kannst. Die Terrassen bekommen Kopfsteinpflaster und sollen mit runden Natursteinmauern großzügig eingefasst werden. Die Blumenbepflanzung machst du selber. Auch gut. Die Obstbäume bleiben stehen und für die Randbepflanzung willst du eine hohe, blühende Vogelhecke haben. In Ordnung! Für den Rasen ist es aber noch zu früh. Da sollten wir bis Mai warten. Ich rechne das alles einmal durch und ruf dich wegen der Kosten an.« Ich gebe Arno die Hand zum Abschied und sehe ihm zu, wie er auf seinem Quad knatternd abrauscht. Ich bin mir sicher, dass er seine jüngsten Erkenntnisse über uns »Neuen« sofort im alten Heidekrug am Stammtisch zum Besten geben wird.
Frederik hatte sich schon seit mehreren Wochenenden nicht bei uns sehen lassen. Wenn er nach Hamburg kommt, unternimmt er tagsüber Ausflüge mit seinen Kindern. Die Abende verbringt er mit seinen alten Freunden, die auch immer einen Schlafplatz für ihn haben. Als ich am Montagmorgen mit Maike über die Wochenplanung spreche, werde ich mit einer Frage überrascht. »Hat Frederik eine neue Freundin? Ich habe ihn Samstagabend in der Arena beim Konzert getroffen. Engumschlungen mit einer anderen Frau.« Diese Nachricht ist nun überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Wenn ich eines nicht gebrauchen kann, dann ist es eine Neue, die meine Verkupplungspläne mit Schwiegertochter Nadja und meinem verwöhnten Einzelkind torpediert. »Er hat sie mir als Sabrina vorgestellt. Haben Sie sich schon kennengelernt?«
»Gesehen haben wir uns noch nicht. Erzähl doch mal, wie sieht sie denn aus.« Maike beschreibt die Neue als einen eher natürlichen, unauffälligen Typ. Schlank, dunkelhaarig, wohl auch etwas älter als Frederik. Mehr kann oder will Maike dazu nicht sagen. Sie hat es mir schnell angemerkt, dass es keine erfreuliche Nachricht ist, die sie überbrachte. Mit schlank kann Nadja derzeit nicht dienen. Sie ist nach der letzten Schwangerschaft noch Längen von ihrem Normalgewicht entfernt. Wenn Maike von natürlich und unauffällig spricht, heißt das übersetzt, blass und
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