Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
haben noch so viele Jahre vor uns. Mach dir nicht immer so viele sorgenvolle Gedanken und genieße das schöne Leben, das wir beide hier zusammen haben.«
Am nächsten Morgen um zehn Uhr hupt ein Transporter laut und hartnäckig vor dem Haus. Tobias schlüpft in seine Boxershorts und rennt dem ungeduldigen Boten entgegen. Er übernimmt ein vier Meter langes Paket und quittiert den Empfang. Hektisch öffnet er das Garagentor und verbringt die überlange Röhre zusammen mit dem Fahrer hinein.
»Keine Fragen! Das ist eine Überraschung«, sagt er als er zurück ins Haus kommt. Ich habe schon neugierig aus dem Fenster gesehen. Ich kann mir denken, dass es mit meinem morgigen Geburtstag zu tun hat. Aber die Maße des Paketes lassen keinen Aufschluss auf mein Geschenk zu. Ich tippe auf einen Fahnenmast. Hoffe aber, dass ich mich irre. Alles Betteln hilft nichts, Tobias verrät mir seine Überraschung nicht. Stattdessen fordert er mich auf, für eine Stunde das Haus zu verlassen. Belle wartet mit Frühstück auf mich. So hat er es geplant. Ich gehe in das Nachbarhaus und Robert begrüßt mich mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts auf die Wange, wie es unter Freunden in Frankreich üblich ist.
»Dann wünsche ich euch guten Appetit«, sagt er und verlässt das Haus, um Tobi zur Hand zu gehen.
»Wie aufregend!« Ich freue mich wie ein kleines Mädchen über die Hochspannung, die mein Liebster verbreitet.
»Kommt dich deine Familie morgen besuchen?«
»Nein, diesmal nicht. Wir werden uns in zwei Wochen alle zur Einschulung der kleinen Lillie in Hamburg treffen.« Ich lenke das Gespräch auf geschäftliche Belange und erzähle Belle von den kränkenden Bemerkungen im Sender. Ich frage sie, ob sie sich vorstellen kann, meinen Part künftig ganz zu übernehmen. Belle ist geschockt.
»Du willst dich doch nicht ganz zurück ziehen? Die Männer vom Schmuck, vom Haushalt und die beiden aus der Nahrungsergänzung sind doch alle deutlich älter als du.«
»Stimmt, aber die machen auch nicht in Beauty.« Belle schüttelt fassungslos den Kopf. Sie kann nicht verstehen, dass ich so an mir zweifele. Dass Tobi mich liebt und begehrt, ist für jeden offensichtlich. In ihren Augen sehe ich nicht einen Tag älter aus, als ich auch bin.
»Ich verstehe dich nicht und ich nehme dich auch heute nicht ernst.« Sie droht, mit Sarah zu sprechen. Irgendjemand soll mir den Kopf waschen. Ich höre hämmernde Geräusche aus unserer Garage herüber klingen und versuche mein Glück bei der jüngeren Nachbarin. Aber auch Sie kann mir nicht verraten, was die Männer treiben. Sie weiß nur, dass am nächsten Abend ein feudales Abendessen mit Freunden im Restaurant René geplant ist.
Als ich endlich das Zeichen bekomme, wieder nach Hause kommen zu dürfen, rufe ich Steffen an. Es gibt noch keine Neuigkeiten von Karl. Sein Zustand ist unverändert, aber kritisch. Ich sehe Tobi dabei zu, wie er in der Küche einen Kuchen für mich backt. Als er mir seinen Finger mit Teig zum Abschlecken reicht, verziehe ich entzückt das Gesicht.
»Lecker«, sage ich und freue mich darüber, dass er sich so viel Mühe gibt.
»Noch nicht aufstehen, Schatz. Gib mir noch zehn Minuten und ich bringe dir das Frühstück ans Bett«, befiehlt er. Es dauert nur acht Minuten und ich bekomme ein Tablett mit Orangensaft, Kaffee und frischen Butter Croissants ans Bett. Ich höre Stimmen und lautes Klopfen im Haus, doch der Hausherr beruhigt mich und sagt: »Erst nach dem Frühstück«. So spannend kann nur Tobi einen Geburtstag inszenieren. Ich nehme meinen weißen Morgenmantel und trete nach seiner Freigabe ins Wohnzimmer und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. An der Wand, an der zuvor ein kleines Ölgemälde eines ortsansässigen Malers hing, prangt eine wandbreite und deckenhohe Collage. Formvollendet hat er Fotos und Zeichnungen von mir und meinen Lieben in Gelb und Grautöne umgewandelt und mit Kreidebeschriftungen und Symbolen zu einem Kunstwerk zusammen geführt. Das zehn Quadratmeter große Meisterstück ist auf Künstlerleinwand gedruckt und wurde mit einem matten Firnis versehen. Zusammen mit Robert hat er es auf einen dicken Keilrahmen gespannt. So etwas Schönes habe ich noch nie vorher gesehen. Mit einem Glas Champagner stehen wir über eine Stunde lang vor der Wand und ich entdecke immer wieder neue Motive, die mich zum Stauen und Lachen bringen. Ich bin überwältigt. In Worte fassen, kann ich
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