Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
mit Obst, Brot, Wasser, Saft, Oliven, Käse und Butter. Ich greife die Sachen und bringe sie im Schneckentempo in die Küche. Ich komme gerade am Tisch an, als es an der Tür klingelt. Seufzend schleppe ich mich wieder zurück. Belle hält einen in Alufolie verpackten Teller in der Hand und sagt: »Essen, meine Liebe.« Ich bedanke mich für die warme Mahlzeit und den Korb. »Welchen Korb?«, fragt mich meine verblüffte Nachbarin. »Ich habe dir keinen Korb vor die Tür gestellt.« Weitere Nachfragen erspare ich mir. Dafür kommt nur noch Einer in Frage. Belle sagt sofort zu, die nächsten Sendungen zu übernehmen. Sie mag ihren neuen Job und macht ihn gut. »Wenn du etwas brauchst, ruf mich an«, sagt sie und verschwindet im Laufschritt. Neidisch über ihre unbeschwerte Bewegungsfähigkeit schleppe ich mich zum Schrank und greife gezielt nach einer Foto CD und lege den Datenträger mit der Beschriftung Ma+To ein in das Laufwerk meines Notebooks ein. Zwar hat mir der Arzt striktes Alkoholverbot erteilt, solange ich die Tabletten nehmen muss, doch ohne Wein sehe ich mich nicht in der Lage, die Bilder anzusehen. Ich schenke mir ein Glas ein und suche die angebrochene Schachtel Zigaretten, die Robert nach einem seiner Besuche liegen ließ. Nach und nach bringe ich alles auf die Terrasse und stecke mir eine Zigarette an. Beim Betrachten der Fotos verspüre ich einen dicken Kloß im Hals. Nüchtern sind die Erinnerungen an meine glückliche Zeit mit Tobias nicht zu ertragen. Ich nehme mir die Krücke und hole mir Nachschub aus der Küche. Mit einer neuen Flasche Wein und einem Korkenzieher komme ich zurück. Aber mein Platz ist besetzt. Tobi sitzt auf meinem Gartenstuhl und nimmt mir die Sachen aus der Hand. Wortlos geht er in die Küche und kommt Sekunden später mit der geöffneten Flasche und einem zweiten Glas zurück. Er sieht mich an, schenkt die Gläser halb voll und hilft mir dabei, mich hinzusetzen.
»Wo kommst du her?«
»Ich war doch nie weg«, sagt er und greift nach meiner Hand. »Nach deinem Rausschmiss habe ich in der Garage gewohnt. Wo sonst sollte ich hin? Ich bin ein armer Künstler«, sagt er mit seinem Dackelblick.
»Ich hab dich vermisst und mir Sorgen gemacht!«
»Was hab ich bloß getan, dass du mich aus deinem Leben verstoßen wolltest?«
»Der Koks und deine Eifersucht hatten dir den Verstand geraubt«, sage ich böse.
»Das passierte nur, weil ich mir deiner nicht sicher war.«
»Und was ist jetzt anders?«
»Jetzt weiß ich, dass du nur mich liebst. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört, als du es Steffen gesagt hast. Marie, zur Liebe gehört auch verzeihen! Kannst du mir vergeben?« Ich trinke einen großen Schluck Wein und schimpfe: »Dann habe ich es dir zu verdanken, dass ich mir an dem Garagentor den Rücken verletzt habe?«
»Schuldig im Sinne der Anklage.« Um nicht entdeckt zu werden, hatte er das Tor manipuliert.
»Du wirst mich pflegen, mein Lieber. Tag und Nacht!«
»Rund um die Uhr.«
Nach vier Wochen kann ich die Krücken in die Ecke schmeißen. Ich verfolge die Sendungen mit Sarah und Belle am Fernsehgerät und Tobias telefoniert mit Steffen. Er bittet ihn, Nachschub von der Salbe zu schicken.
»Nein, Marie ist schon fast wieder in alter Form. Wir machen täglich die Übungen, die du empfohlen hast. Sie schreibt gerade meterlange Einkaufslisten. Du kommst doch Weihnachten, oder? Ein Nein wird sie nicht akzeptieren.
Tabula rasa
»Gehst du surfen?«
»Der Wind ist super. Komm doch mit. Nur eine Stunde«, bettelt Tobi. Aber ich ziehe es vor, auf die Lieferung der neuen Möbelbezugsstoffe zu warten und wünsche meinem Wassersportler nach drei schnellen Küssen auf die Lippen viel Spaß. Wenn im Sommer die Strände von Urlaubern überfüllt sind, bleibe ich lieber am Haus und genieße das schöne Wetter am Pool. Bis Ende September habe ich Sendepause. Gern bin ich die letzten Male nicht mehr nach Berlin gefahren. Ich bin es leid, von den grünschnäbeligen Kabelträgern als Omi bezeichnet zu werden. Bei der nächsten Konferenz mit der Bereichsleitung Beauty werde ich das Thema zur Sprache bringen. Als ich in der Küche stehe, um ein leichtes Mittagessen zuzubereiten, klingelt das Telefon. Steffen ist dran. Es ist nicht üblich, dass wir grundlos mit einander telefonieren. Deshalb ist mir auch sofort klar, dass etwas Ungewöhnliches passiert sein muss.
»Karl liegt im Krankenhaus. Er hat wieder einen
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