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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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Politik.

Kapitel 6

Wozu nützlich? – Die Klitsche und das Monster
    Warum soziale Verantwortung besser ist als hohe Renditen

    In den Kärntner Nockbergen wächst der Speick. Der Speick ist ein Baldriangewächs, ein unscheinbares, kleinwüchsiges Kraut, das ungefähr eine Handbreit über dem Boden aufragt. Die nur zwei bis drei Millimeter großen gelblichen, manchmal rotbräunlichen Blüten stehen in den Sommermonaten in kleinen Dolden. Der Speick wächst nur in Höhenlagen oberhalb von 1800 Metern, der Boden muss kalkfrei sein, was in den Alpen nicht häufig vorkommt.
    Das Besondere an der Pflanze ist sein hoher Gehalt an intensiv nach Baldrian duftendem ätherischem Öl. Seit Jahrtausenden gewinnt man das Speicköl aus der Wurzel oder der ganzen Pflanze. Bereits die Kelten kannten es und verwendeten das Öl zu medizinischen Zwecken. Der weltberühmte griechische Arzt Galen behandelte das Magenleiden des Kaisers Mark Aurel mit Speick. Der botanische Name
Valeriana celtica
weist auf die Bedeutung als Heilpflanze hin, das lateinische »valere« bedeutet »gesund erhalten«.
    Die Pharaonen und deren Familien verwendeten es im alten Ägypten als Bade- und Massageöl, über den Handelsplatz Venedig gelangte es seit dem Mittelalter zu den Reichen in der ganzen damals bekannten Welt. Zeitweise wurde das Öl der Speicks mit Gold aufgewogen.
    Die Pflanze wurde aber auch zu anderen als zu Wellness-Zwecken verwendet: Sie wurde als Räucherwerk verbrannt, zum Würzen von Wein und Salben eingesetzt sowie als Repellent gegen Motten, also als »Ungeziefervergrämungsmittel«. Seine wirtschaftliche Bedeutung war zeitweise so groß, dass es eine eigene Speicksteuer gab und die steirische Gemeinde Judenburg vom Kaiser Friedrich III., dem »Friedfertigen«, ein Handelsmonopol auf Speick verliehen bekam.
    Geerntet wurde der Speick traditionell zwischen dem 15. August und dem 8. September von Hand, mithilfe des Speickkramperls, einem speziellen Grabwerkzeug, mit dem man die ährenförmigen Wurzeln schnell und schonend aus dem Boden ziehen konnte. Die Ernte war in den Alpen einem eigenen Berufszweig vorbehalten, den Speickgräbern. Sie pflegten die Speickböden, also die Alpenwiesen, auf denen die Bodenbeschaffenheit und die kleinklimatischen Verhältnisse den Wuchs der Pflanze ermöglichten. Den Beruf gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert.
    Dann kamen die Nationalsozialisten und stellten die Pflanze 1936 unter Naturschutz. Das bedeutete, sie verboten seine wirtschaftliche Nutzung. Damit endete schlagartig eine mindestens zweieinhalbtausendjährige Kultur. Der Speick verlor seine wirtschaftliche Bedeutung und geriet weitgehend in Vergessenheit. Heute weiß kaum mehr jemand, woher der 2140 Meter hohe Große Speikkogel in der Steiermark seinen Namen hat. Aber ganz vergessen wurde der Speick nicht …
    Eine seltene Pflanze

    Walter Rau war Unternehmersohn. Seinen Eltern gehörten die Vereinigten Stuttgarter Seifenfabriken, die auf dem Cannstatter Wasen unweit des Untertürkheimer Bahnhofs ein großes Gelände erworben hatten, um darauf ihre Seifensiederei zu betreiben. Der berühmte Industriearchitekt Philipp Jakob Manz, der noch so wunderbare Fabrikgebäude wie die der Salamanderwerke in Kornwestheim, der Stromeyer-Zeltfabrik in Konstanz und der Zeppelinwerke in Friedrichshafen gebaut hat, entwarf 1902 die Neubauten der Stuttgarter Seifenfabrik.
    In diesem Umfeld aufgewachsen, wollte der junge Walter natürlich die Familientradition fortsetzen und Unternehmer werden. Aber die Zeiten waren schlecht. Die Weltwirtschaftskrise beutelte auch die Stuttgarter Seifenfabriken, die sich auf das Massenprodukt Kernseife zur Wäschereinigung fokussiert hatten. Bald verlor das Unternehmen seine Grundlage und musste seine schönen Fabrikgebäude an die frisch fusionierte Aktiengesellschaft von Gottlieb Daimler und Carl Benz verkaufen.
    Aber Walter ließ sich davon nicht abschrecken. Er wollte ohnehin mehr, als nur langweilige Kernseife produzieren. Er war ein Anhänger der Anthroposophen um Rudolf Steiner und pflegte somit eine Einstellung, die Spiritualität, deutschen Idealismus, die Weltanschauung Goethes, die Gnosis und fernöstliche Philosophien mit der Naturwissenschaft verband. Er dachte ganzheitlich, sein Horizont war weiter als der der meisten. Und er hatte eine Idee: eine Seife für die Körperpflege und Gesunderhaltung! Das war ein revolutionärer Gedanke, denn bis dahin diente Seife lediglich zur Reinigung, also zum Entfernen von Schmutz.

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