Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Mittelmaß niederster und immer noch fallender Qualität. Aber wer hat denn behauptet, dass die meisten Menschen am liebsten schlechtes Design, schlechte Verarbeitungsqualität, schlechte Materialbeschaffenheit, schlechten Geschmack, schlechte Gesundheitsverträglichkeit und schlechte Ökobilanzen haben möchten?
Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum es so gut wie keine Anbieter von guten, soliden, qualitativ wertvollen Produkten für die breite Mitte der Bevölkerung mehr gibt.
Der Mangel an erschwinglichen Qualitätsprodukten ist so groß wie der Mangel an Coolness im Vatikan. Und der Grund dafür ist der größte Mangel: der Mangel an unternehmerischer Tatkraft. Die gute Nachricht ist also: Wer sich mit Mut und unternehmerischer Tatkraft an die Beseitigung eines der oben genannten Mängel macht, der findet in Deutschland ein Paradies vor.
Ausgegoren
Denn es geht. Es funktioniert. Manufactum ist das beste Beispiel. Oder nehmen Sie Bionade: Aus dem Nichts hat die Familie Leipold/ Kowalsky im unterfränkischen Ostheim vor der Rhön ein Millionengeschäft aufgebaut. Der Braumeister Dieter Leipold entwickelte 1995 nach achtjährigem Experimentieren das Verfahren, mit dem aus Wasser und Malz mittels Fermentation der Grundstoff für seine Biolimonade hergestellt wird. Das Bakterium
Gluconobacter oxydans
vergärt dabei den Malzzucker nicht zu Alkohol wie beim Bier, sondern zu Gluconsäure, die als natürlicher, auch beispielsweise in Honig oder Wein vorkommender Konservierungsstoff dient. Verwendet werden alleine landwirtschaftliche Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau.
Bionade war eine tolle Erfolgsstory, auch wenn es in den letzten Jahren Vermarktungsprobleme gab. Der Mangel im von Coca-Cola dominierten und unter dieser Herrschaft verödeten Limonademarkt war drastisch. Ein zuckerarmes, wohlschmeckendes und unter vernünftigen Bedingungen produziertes Erfrischungsgetränk für die breite Bevölkerung gab es schlichtweg nicht. Die Rekultivierung dieser Wüste erforderte aber Erfindergeist, Mut und Durchhaltevermögen, denn zu Beginn operierten die Leipolds/Kowalskys an der Insolvenzgrenze, die Entwicklungskosten des Verfahrens betrugen über 1,5 Millionen Euro. Selbstverständlich riet ihnen jeder von dem Vorhaben ab, und natürlich wollte zuerst niemand die Produktion finanzieren, denn gegen den Getränkegiganten Coca-Cola traute sich niemand anzutreten.
Am Ende aber setzte sich der geschäftsführende Gesellschafter Peter Kowalsky, der Stiefsohn des Erfinders, trotz aller Startschwierigkeiten durch. Der Absatz konnte auf zeitweise bis zu 200 Millionen Flaschen im Jahr gesteigert werden. Kowalsky hatte später sogar die Genugtuung, ein Übernahmeangebot von Coca-Cola ausschlagen zu können, er wurde von der Zeitschrift
Capital
zum Ökomanager des Jahres und von der Presse zum Miraculix von der Rhön gekürt, und zu guter Letzt stieg die zum Oetker-Konzern gehörende Brauereigruppe Radeberger ein.
Oder vielleicht nicht zu guter Letzt, sondern zu schlechter Letzt. Denn leider ist damit auch der Schwung und der authentische Charme der Marke verloren gegangen. Marketing und Vertrieb werden nicht mehr von Kowalsky, sondern von dem Managern des Lebensmittelriesen gemacht, und seitdem geht es steil bergab. Vielleicht passiert gerade dasselbe wie bei Apple, als der Gründer Steve Jobs von 08/15-Managern 1985 aus dem Unternehmen gedrängt wurde. Bergauf ging es erst wieder, als Jobs 1996 zurückkehrte. Bionade ist zu wünschen, dass Peter Kowalsky Ähnliches gelingt.
Aber die Anfangszeit von Bionade war eines der Beispiele, die mich ganz sicher machen: Gute Qualität kann man sehr wohl in großen Mengen verkaufen. Der Bedarf und die Nachfrage sind da, der Wunsch danach und das Bewusstsein dafür steigen in der Mitte der Gesellschaft stark an und die Ideen und Produkte gibt es überall. Das einzige, was fehlt: Mut.
Diese Qualitätspioniere der jüngeren Zeit – Händler wie Manufactum und Hess Natur, wie Alnatura, Denn’s und Co., Produzenten wie Bionade, die Recycling-Label Freitag-Taschen und Zirkeltraining, das Mode-Label Bleed, die Schlafsackmanufaktur Yeti aus Görlitz, Mymuesli.com, Hersteller von Laufsportbekleidung wie Kossmann und Thoni Mara, Bio-Weinschorle von 8 grad, Percussion von Schlagwerk, die London Tea Company, Laufschuhe von Lunge, Cases von Germanmade, Schuhe von Snipe aus Spanien und viele, viele andere – haben bereits begonnen, die Kultur des Konsums in Deutschland massiv zu
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