Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Fehler gemacht. Als ich das Lokal übernommen habe, ist das in aller Stille geschehen. Kein großes Trara, die Idee war, es sollte weitergehen wie bisher, klar, dass ich meine persönliche Handschrift einbringe, aber langsam, es sollte zuerst gar nicht auffallen, dass nicht mehr der berühmte Manninger, sondern die weitgehend unbekannte Winter hier kocht. Aber Lokaljournalisten sind eitel, sie wollen informiert, eigentlich schon hofiert werden – zumindest gibt es einige von dieser Sorte. Essen ist freilich keiner von ihnen gekommen, und so haben sie den Wechsel nicht bemerkt. Christian Guttner, Sie wissen schon, der Gastrokritiker, ist hingegen gekommen. Also war er der Erste, der darüber berichtet hat. Seither sind ein paar Vertreter der lokalen Presse auf mich beleidigt. Manninger ist ja nicht so leicht zu erreichen. Sie haben behauptet, dass unsere Aktion ein Versuch war, zu verschleiern, dass das Lokal mit mir wieder in die Mittelmäßigkeit absinken würde. Dabei …«, sie hebt das Kinn, und endlich ist wieder etwas von ihrem Elan zu bemerken, »… so schlecht bin ich nicht.«
Ich begleite Billy Winter in die Küche und sehe mich um. Großküchen faszinieren mich seit jeher. Wann immer möglich, werfe ich einen raschen Blick durch offene Küchentüren, bestaune Edelstahl und große Töpfe, Herde, an denen ich endlich einmal Platz für mehrgängige Menüs hätte, Spülen, in die mehr passt als zwei Kaffeetassen. Jetzt endlich ist Gelegenheit, mich in einer gründlich umzusehen. Es ist halb elf, das Abendgeschäft ist weitgehend vorbei, ein farbloser, hoch aufgeschossener Koch, der deutlich jünger als neunundzwanzigjährig aussieht, wirft mir einen raschen Blick zu und beschäftigt sich dann wieder damit, Zwiebeln zu schneiden.
»Wir müssen noch einiges für morgen vorbereiten, sonst kommen wir ins Schleudern«, erklärt die Wirtin.
Vier Bretter liegen auf der Edelstahlarbeitsfläche: grün, rot, gelb, blau. Billy Winter hat meinen fragenden Blick gesehen: »Hygiene. Grün ist für Gemüse, rot für das rohe Fleisch, gelb für Geflügel, blau für den Fisch.« Ich sehe, dass der Koch die Zwiebeln auf dem roten Brett schneidet.
Die Wirtin grinst. »Die Bretter waren schon abgewaschen, er hat sich ein neues, sauberes geholt. Wenn noch nichts darauf geschnitten wurde, ist das kein großes Problem.« Trotzdem sagt sie zum Koch: »Grün – Gemüse. Du weißt es. Also bitte.«
Er räumt wortlos seine Zwiebeln auf das grüne Brett und sieht seine Chefin mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. Vielleicht ist doch er es, der ihr böse Streiche spielt.
Gerne würde ich mir alle Geräte erklären lassen. Billy Winter aber geht zu einem Oberschrank, wie alles in der Küche ist er aus Edelstahl, sie schiebt ihn auf. Auf einem der großen Plastikschüttbehälter steht »Zucker«, auf einem anderen »Salz«. Sie zeigt mir auch einen Stapel von weißen Porzellanschüsselchen, in denen Salz ist. »Die stehen überall, wo wir sie brauchen. Beim Platz, auf dem angerichtet wird, bei der Fritteuse, beim Grill, beim Herd. Alle waren voll mit dem Zucker-Salz-Gemisch. Auch der Inhalt der beiden Nachfüllbehälter war vermischt.«
Kinderleicht, diesen Schaden anzurichten. Vorausgesetzt, man kennt sich halbwegs in der Küche aus. Und man hat Zugang zu ihr.
Onkel Franz taucht im Kücheneingang auf, ruft: »Neuer Tisch!«, und befestigt einen Bon am Magnetbrett.
»Es ist zwar verdammt spät, aber wenigstens ein paar verirren sich noch zu uns«, meint Billy Winter und liest dann lauter als notwendig vor: »Ein Salat Entenhaxerl, eine scharfe Hühnersuppe, ein Weinviertler Schinken, eine gefüllte Artischocke. Danach: eine Lammrose, einmal gebackene Pilze, einmal Bauernschmaus, ein Wildkarpfen!« Sie sieht ihren Koch an und fragt: »Kann ich dich damit allein lassen?«
Er nickt etwas mürrisch. Ist er beleidigt, weil sie ihm nicht hilft oder weil sie ihm offenbar nicht selbstverständlich zutraut, dass er die Bestellung allein bewältigt? Ich würde gerne noch in der Küche bleiben, zusehen, wie hier gearbeitet wird, aber die Wirtin lenkt mich wieder nach draußen.
»Unser Lehrling ist schon weg, der hilft, wo Hilfe nötig ist. Mahmet ist gerade draußen, er kümmert sich um den Müll, man glaubt gar nicht, wie viel davon anfällt, auch wenn ich aufpasse. Er ist für die kalten Vorspeisen und für die Nachspeisen zuständig. Manninger hat ihn angelernt. Ein tüchtiger Typ, auch wenn wir immer noch nicht wissen,
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