Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Zurechtweisung. Und dann noch von einem deutlich Jüngeren. Schlimmer ist für ihn nur mehr, wenn über ihn gelacht wird. Und das dürfte laut Daniel passiert sein.«
»Er kann sich übrigens daran erinnern, dass Daniel bei ihm ein Praktikum gemacht hat.«
»Sein Gedächtnis ist also immer noch gut. Außerdem: Die Capriatis waren Stammgäste im Royal Grand. Das weiß ich inzwischen.«
»Ob er nur mit Peppis Verschwinden zu tun hat?«
Billy seufzt. »Vielleicht war selbst das tatsächlich nur ein Missverständnis.«
»Trotzdem gut, dass Vesna ihn beobachtet.«
»Finde ich auch. Arme Vesna.« Billy dreht einen Steinpilz zwischen ihren Händen, als wüsste sie plötzlich nicht mehr, was sie damit tun soll.
»Was ist?«, frage ich.
»Was wird als Nächstes passieren? Außerdem hätte die Sorgerechtsverhandlung zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt angesetzt werden können. Der Anwalt meines Exmannes wird behaupten, dass wir Kannibalen sind.«
Ich grinse.
»Ich traue es ihm zu, ehrlich. Jedenfalls wird er äußerst blumig das Chaos und meine Verwicklung in die Mordfälle beschreiben. Kann man so jemandem wie mir ein Kind anvertrauen?«
»Könnte er nicht tatsächlich auch bei seinem Vater und der neuen Frau gut leben?«
»Gut leben schon, im Sinn von reich. Ich will nicht, dass er ein wehleidiges Söhnchen wird. Er ist gescheit und lebendig. Sie würden ihn …«
»… auf die besten Schulen schicken.«
Billy sieht mich misstrauisch an. »Hat er mit dir geredet?«
»Natürlich nicht, das hätte ich dir sofort erzählt. Ich versuche nur, die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.«
»Du hast keine Kinder. Du kannst nicht wissen, wie das ist. Ich war mit ihm dreizehn Jahre zusammen. Ich will nicht, dass er mich bloß besuchen kommt. Er ist mein Sohn.«
Ich nicke und hoffe mit ihr, dass sich bis zur Sorgerechtsverhandlung am Dienstag noch etwas tut, das ihr hilft. Bis zu diesem Tag sollte auch meine nächste Reportage fertig sein. Ich habe den wiedergefundenen Koch. Demetz werde ich auch erwähnen. Das heißt aber, dass ich vorher noch mit Zuckerbrot reden muss.
Am Abend werden wir durch erstaunlich viele Gäste abgelenkt. Ich will gar nicht wissen, aus welchen Motiven sie gekommen sind. Ist es Guttners hymnische Kritik? Ist es Sensationsgier?
Wieder einmal stellt sich heraus, dass zwar viele von den Vorfällen wissen, aber lange nicht alle. Doch da war die Hand in der Faschiermaschine. Mich schaudert beim Gedanken daran. Ich vergesse, die Lachssuppe vom Herd zu nehmen, sie kocht sich auf eine unappetitliche braune Sauce ein. Ich schütte sie weg, stelle schnell eine neue Portion hin. Überhaupt bin ich heute unkonzentriert. Ein Fehler nach dem anderen passiert mir. Der Fisch liegt zu lange auf dem Grill, beim Lamm vergesse ich die Bohnen. Das Pflaster am Daumen geht mir andauernd ab, aber die Wunde tut immer noch weh. Nach dem dritten Versuch, es mit einem Gummischutz zu fixieren, gebe ich auf. Soll es eben wehtun, verdammt noch mal! Als die Kaninchenrücken aus der Fritteuse kommen, sehen sie aus, als ob sie die Räude hätten. Ich habe vergessen, sie zuerst in Mehl zu tauchen, damit der Backteig hält. Billy ist nervös, mäkelt auch herum, wenn es nichts auszusetzen gibt, schreit Mahmet an, als er wieder einmal die Kühlschranktür offen lässt. Mir gegenüber versucht sie, sich zurückzuhalten. Aber das ist doppelt schlimm, lieber wäre mir, sie würde offen herausbrüllen, was ihr nicht passt. So murmelt sie nur böse in sich hinein, ich fühle mich bei allem betroffen und werde immer unsicherer. Ich bin nun einmal kein Profi. Auch wenn ich gerne einer wäre. Trotzdem: Billy ist heute ungerecht und unleidlich. Vielleicht hat Demetz mit manchem Recht.
Heute bricht Billy früh auf und fährt zu Daniel. Ich verspreche abzuschließen und morgen Früh rechtzeitig wieder da zu sein. Die Abwäscherin macht die Küche fertig, ich warte auf sie. Niemand soll allein im Wirtshaus bleiben. Ich telefoniere mit Oskar, auch er ist erschöpft. Die Sitzung hat den ganzen Tag gedauert. Es gibt neue Fakten, die in den Prozess einfließen werden. Es wird immer deutlicher, dass das Kartell seinen Klienten hineingelegt hat.
Ich höre nur mit halbem Ohr hin. Oskar hat offenbar nichts von der Hand und dem ganzen Drumherum mitbekommen. Mir ist das lieber so. Irgendwann einmal werde ich ihm bei einem guten Abendessen davon erzählen. Ausgerechnet bei einem Abendessen? Jedenfalls: Wenn alles vorbei ist. Wird alles vorbei
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