Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
sein? Wann?
Vesna meldet sich, gerade als ich das Mobiltelefon weglegen will.
»In Zwei Tauben haltet mich nur Kriminalfall und weil man Demetz auf die Finger sehen muss. Das ist eine Katastrophe hier. Chef schafft an, Chefin schafft an, Demetz schafft an. Rest weiß nicht, was tun. Außerdem bekomme ich vier Euro die Stunde. Kannst du dir das vorstellen? Sie fragen mich auch sofort, ob ich Arbeitserlaubnis habe. Ich sage Nein, sie sagen, das macht nichts, und bieten vier Euro. Ich sage, anderswo kriege ich mehr. Sie sagen, soll ich probieren. Außerdem, wenn ich fleißig bin, soll ich Prämie bekommen. Das glaube ich aber nicht. Beim Geld sind sie sich einig.«
»Und Demetz?«
»Der schreit in der Küche herum, polnischen Hilfskoch hat er heute mit der Pfanne auf die Hand geschlagen, und dann hat er gesagt, er muss eben lernen, schnell zu sein. Kochen kann er schon, glaube ich. Aber da sagen ihm Chefin oder Chef, was sie gerne hätten. Er lasst seine Wut am Personal aus und macht dann, was sie wollen. Sagt, es ist scheißegal. Wenn sie schlechtes Essen wollen, sollen sie es kriegen.«
»War er betrunken?«
»Sicher. Aber nicht so, dass er nicht stehen und reden kann. Erst am Ende hat er in der Küche getrunken. Den Kochwein. Hat gedacht, das sieht niemand. Ich habe es gesehen.«
»Wird er morgen wieder auf den Beinen sein?«
»Polnischer Hilfskoch sagt, sicher. Er hat noch nie gefehlt. Er ist meistens betrunken, aber er ist da. Disziplin hat er.«
»Wer ist sonst noch in der Küche?«
»Eine Köchin, sie ist schon älter und hat vor allen Angst. Ist kein Wunder. Und einer aus Ungarn. Der sagt, Demetz ist nicht berechenbar. Kein Wunder bei so viel Alkohol.«
»Wie sind seine Vorbereitungen? Ist die Mise en place in Ordnung?«
»Warum fragst du? Davon redet er dauernd. Aber er hat kaum Chance, viel zu tun. Für den Einkauf sind Chefs zuständig. Er muss nehmen, was er kriegt. Wenn Fleisch nicht gut ist, ist er schuld, nicht Qualität. Gemüse und so muss er wenig vorschneiden, weil das gibt es wenig frisch. Auch das meiste andere ist fertig. Kalbsgulasch und Rindsrouladen. Dann gibt es Gänse, die alt sind und ganz lange gedämpft werden müssen. Nockerln kommen aus dem großen Sack. Das ist ganz anders als bei Billy.«
»Kannst du dir vorstellen, dass er mit den Morden zu tun hat?«
»Ich kann mir vorstellen, dass er eine Mordswut auf Billy hat, wenn er glaubt, dass er wegen ihr in Zwei Tauben gelandet ist.«
»Das ist nicht dasselbe.«
»Nein. Vielleicht kann ich morgen mehr mit ihm reden. Aber ich weiß nicht. Er redet nicht gerne. Gibt nur Befehle. Eines habe ich jedenfalls nachgedacht: Alles, was geschehen ist, ist ganz in der Früh oder in der Nacht geschehen. Es geht sich für einen Koch aus.«
Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass es ein Koch war. Auch wenn einiges darauf hindeutet.
Ich helfe der Abwäscherin, die letzten Teller zu verstauen. Sie klagt über Rückenprobleme, sie sei eben nicht mehr die Jüngste, aber Arbeit bekomme man hier auf dem Land eben schwer.
»Was halten Sie von dem, was passiert ist?«, frage ich sie.
Sie sieht mich an. »Unsere Chefin wird es durchstehen. Sie sollte sich hier nach einem Haus umschauen. Ich wüsste sogar eines. Dann wird sie auch von den Leuten akzeptiert werden. So ablehnend, wie sie glaubt, sind die wenigsten. Und in letzter Zeit habe ich viele gehört, die gesagt haben, dass ihnen die Chefin Leid tut.«
Nicht unbedingt das, was Billy gerne hören würde. Ob sie Lust hat, aufs Land zu ziehen? Bei ihr kann ich mir das ganz gut vorstellen. Selbst ich könnte der Idee etwas abgewinnen, zwischen Wiesen und Weinhügeln zu leben. Ich rufe mich zur Ordnung. Die Gegend mag idyllisch wirken, die Realität ist es nicht. Was sich bei uns momentan abspielt, ist wohl genau das Gegenteil von Idylle.
»Ob tatsächlich niemand etwas gesehen hat?«, frage ich die Abwäscherin.
Sie schüttelt den Kopf. »Genau kann man das nie wissen, aber wenn jemand den Hintereingang nimmt, dann kann er direkt vom Waldweg her kommen. Da sieht ihn niemand. Wer wäre denn auch in der Nacht unterwegs?«
»Jäger.«
»Vielleicht.«
Sonntagmittag überrascht uns ein Gewitter. Innerhalb weniger Minuten müssen die Gäste in die beiden Gasträume übersiedeln, im Garten muss alles abgedeckt werden, Chaos beim Service. Niemand weiß mehr, was auf welchen Tisch gehört. Man verbindet die Bestellungen ja üblicherweise nicht mit dem Aussehen der Leute, sondern mit der
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