Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Tischnummer.
»Höchste Zeit, dass Onkel Franz wiederkommt. Der merkt sich Gesichter«, stöhnt Billy. Ich kann mich dunkel erinnern, dass sie auch schon weniger freundlich über ihn geredet hat. Morgen Vormittag will sie ihn vom Spital abholen. An ihrem freien Tag hat sie mehr Zeit, sich um ihn zu kümmern. Außerdem hofft sie, auf diese Art ein wenig von der bevorstehenden Sorgerechtsverhandlung abgelenkt zu werden.
Argwöhnisch achten wir auf jedes unvorhergesehene Geräusch, lassen keinen aus den Augen, der sich von den Gasträumen weiter weg begibt, als es der Weg zu den Toiletten erfordert. Überall wittern wir eine neue Gefahr. Aber Vesna hat schon Recht. Tagsüber ist – mit Ausnahme der Salz-und-Zucker-Geschichte – nie etwas passiert. Und da wissen wir ja inzwischen, wer dahinter steckt. Trotzdem, besser, wir sind wachsam.
Als ich ungefähr um drei zum ersten Mal wieder auf mein Mobiltelefon schaue, habe ich eine Nachricht auf der Box. Es ist Angelika, meine Kollegin von der Kochredaktion. Frau Baumann will mit mir reden. Das Sanatorium liegt kaum fünfzig Kilometer von hier entfernt. Wir haben noch einige Gäste. Billy beteuert, alleine zurechtzukommen. Sie drängt mich fast aus der Küche. Warum? Habe ich versagt? Keine Zeit für Empfindlichkeiten, ich rufe Angelika zurück und teile ihr mit, dass ich in spätestens einer Stunde bei ihr und Frau Baumann sein werde.
Die Autobahn zu nehmen würde einen großen Umweg bedeuten. Ich entscheide mich für die Landstraße, und mit der Karte auf dem Beifahrersitz breche ich auf. Ich fahre durch ein Waldgebiet, selbst am Sonntag ist hier kaum jemand zu sehen. Orte gleiten an mir vorbei, deren Namen ich noch nie gehört habe. Die Sonne kommt wieder heraus, und hinter dem Hügel mit den hohen Pappeln leuchtet ein wunderschöner Regenbogen. Für einige Augenblicke bin ich zuversichtlich, dass alles gut werden wird.
14.
Das Sanatorium erinnert mich an eine überdimensionale weiße Villa. Billig ist es mit Sicherheit nicht. Die Autos auf dem Parkplatz bestätigen mir das. Weniger als dreißigtausend Euro hat hier keines gekostet. Ich parke meinen kleinen Fiat zwischen einer Mercedes Limousine und einem schwarzen BMW.
Die eindrucksvolle helle Halle scheint viel eher zu einem Hotel zu passen, auch die Empfangsdame hat so gar nichts von den Irrenwärterinnen klischeehafter Filme. Sie ist jung, hübsch und lächelt. Als ich nach Frau Baumann frage, werde ich dennoch sofort abgewiesen. Über die »Gäste des Hauses« dürfe sie keine Auskunft erteilen, sie sei nicht einmal sicher, ob sich tatsächlich eine Frau Baumann unter ihnen befinde. Ich rufe Angelika an, und sie entschuldigt sich, sie habe vergessen, der Empfangsdame Bescheid zu geben.
Wenig später sitze ich mit Baumanns Witwe in einem Wintergarten, der so aussieht, als könnte man sich hier tatsächlich wunderbar erholen. Wovon auch immer. Frau Baumann ist eine zierliche, schlanke Person um die vierzig mit wachen Augen. Sie wirkt traurig, aber keineswegs gebrochen.
»Ich weiß, was Angelika Ihnen erzählt hat«, beginnt sie das Gespräch. »Ich will mithelfen, dass der Mörder – oder die Mörderin – gefasst wird. Aber Sie werden einsehen, dass ich meinen Freund und dessen Frau nicht hineinziehen darf. Angelika hat mir gesagt, Sie meinen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Ich habe mit meinem Mann nicht sehr viel über seine Arbeit geredet, aber fragen Sie mich einfach, vielleicht fällt mir etwas ein.«
»Gab es irgendwelche Verbindungen zwischen Ihrem Mann und Demetz?«
»Wer ist …? Ach so, Demetz. Vom Royal Grand. Man hat schon lange nichts mehr von ihm gehört. Mein Mann hat ihn gekannt. Natürlich. Aber wir waren lange in Deutschland.«
»Auch Demetz hat sich damals als Fernsehkoch beworben.«
»Davon weiß ich nichts, es haben sich viele beworben, wenn ich mich recht erinnere.«
»Sieht so aus, als ob der Sponsor ohnehin schon vorher seine Wahl getroffen hätte.«
»Haben Sie meinen Mann gekannt?«
»Nein.«
Sie lächelt traurig. »Hätten Sie ihn gekannt, dann wäre Ihnen klar, dass ihm die Sponsoren nichts erzählt haben. Er hat davon erst einige Wochen später erfahren. Er war so gekränkt, dass er das Angebot fast abgelehnt hätte. Für ihn war es Betrug.«
»Nur, dass er offenbar nichts damit zu tun gehabt hat. War er wirklich ein so guter Mensch, wie man sagt?«
»Ich … So kann man das nicht sagen. Er konnte nicht lügen. Er ist immer den geraden Weg gegangen, aber ohne
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