Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
jemanden verletzen zu wollen.«
Elegant ausgedrückt. »Das ist ihm gelungen?«
»Sicher nicht immer, das geht nicht. Außerdem … Wie soll ich sagen, ohne dass Sie das falsch verstehen … Er war nicht unbedingt sensibel, wenn es um andere ging. Er wollte niemandem etwas tun, er hat Bedürfnisse anderer einfach nicht wahrgenommen und irgendwelche Unzulänglichkeiten schon gar nicht.«
»Das heißt, in gewisser Weise war er ein ziemlicher Egoist.«
»Nein, wo immer es ging, hat er anderen zu helfen versucht. Aber – er konnte nun einmal nur von sich ausgehen. Sich in jemand anderen hineinzuversetzen war seine Sache nicht.«
»Kannte er Manninger?«
»Ja, sicher. Den kenne ich auch. Er war zwei- oder dreimal mit uns essen. Wie alle Köche hat mein Mann nicht gerne privat gekocht, und ich war einfach nicht gut genug. Also haben wir Freunde und Verwandte in interessante Lokale eingeladen, meist in ganz unbekannte. ›Entdeckungsreisen‹ hat mein Mann dazu immer gesagt.«
»Gab es einen Konflikt mit Manninger?«
»So würde ich das nicht nennen … Man hat sich wieder etwas voneinander entfernt, würde ich sagen. Manninger ist berühmt für seine Frauengeschichten, das konnte Udo einfach nicht verstehen. Manninger hat zum Beispiel einem Kollegen die Frau ausgespannt. Gerüchten zufolge war es allerdings sie, die ihm nachgelaufen ist, und Manninger hat sich keine Gelegenheit entgehen lassen, das ist wohl wahr.«
Unterschiedliche moralische Maßstäbe. Kein klassisches Mordmotiv.
»Manninger …«, Frau Baumann lächelt nun schon weniger traurig, »… Manninger kann sehr charmant sein. Witzig, ein wenig verrückt. Das gefällt den Frauen.«
Ich frage mich, ob nicht auch sie eine »charmante« Beziehung mit Manninger hatte. »Und Manninger hat Ihren Mann geschätzt?«
»Er hat sich geärgert, dass sich mein Mann zu seinen Frauengeschichten geäußert hat. Und dann war da noch einmal etwas …« Sie überlegt, nimmt einen Schluck Mineralwasser. »Ja. Kurz bevor sich Manninger überraschend entschied, dieses Landwirtshaus von seiner Tante zu übernehmen, hat mein Mann etwas ausgeplaudert, das ihm Manninger offenbar vertraulich erzählt hatte. Er hat einen unehelichen Sohn mit der Frau des Eigentümers von dem Lokal, in dem er gekocht hat, dem Chez Trois. Die beiden waren längst geschieden, nicht wegen des unehelichen Sohnes, glaube ich. Mein Mann hat gar nicht daran gedacht, dass es ein Geheimnis sein könnte. Aber Manninger war sehr wütend. Der Lokalbesitzer hatte es wohl tatsächlich nicht gewusst.«
»Hat es einen Streit mit Ihrem Mann gegeben?«
»Das weiß ich nicht so genau. Wir haben uns jedenfalls nicht mehr mit ihm getroffen. Er hat dann ja wohl auch wenig Zeit gehabt mit seinem Lokal auf dem Land. Leider ist mein Mann in solchen Sachen oft ungeschickt gewesen. Weil Sie nach einer Verbindung mit Demetz gefragt haben, den hat er sogar unterstützt, er wollte ihn dazu bringen, eine Entwöhnungskur zu machen. Er hat dafür gesorgt, dass er in keinem seiner Stammlokale mehr Alkohol zu trinken bekam. Er hat sich intensiver mit dem Thema beschäftigt und ist auch in einer Sendung über Alkoholismus in der Arbeitswelt aufgetreten. Bei Köchen kommt das ja relativ häufig vor, leider. Der Druck …«
»Hat er Demetz beim Namen genannt?«
»Nein, so naiv war er nun auch wieder nicht. Aber irgendjemand muss zwei und zwei zusammengezählt haben. Kurz nach der Sendung gab es einen Artikel im ›Blatt‹ über prominente Alkoholkranke. Da wurde Demetz mit dem Hinweis auf das, was mein Mann in der Sendung gesagt hatte, erwähnt. Samt Foto.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum jemand nicht nur Ihren Mann, sondern auch Bachmayer ermordet haben könnte?«
»Bachmayer hatte viele Feinde, soviel ich weiß. Mein Mann hatte keine.«
Aber zumindest scheint er kein Fettnäpfchen ausgelassen zu haben.
Ich habe keine Lust, zum Apfelbaum zurückzufahren. Sonntagabends ist wenig los, ich muss in Ruhe nachdenken und endlich einmal ausschlafen. Billy wirkt etwas gekränkt, als ich ihr das sage, aber vielleicht ist auch sie einfach müde.
Vesna erzählt mir am Telefon vom Sonntagmittag in den Zwei Tauben. Eine Busladung Tschechen, denen nichts recht gewesen sei. »Als ob die was vom Essen verstehen!«
»Formen des Rassismus gibt es eben nicht nur zwischen In- und Ausländern«, erwidere ich.
»Bin keine Rassistin, aber ich habe Recht, so gut wie das Essen in Prag ist es auch, was es hier gibt. Und wenn Demetz tun kann,
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