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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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hatte ein Betriebswirtschaftsdiplom von Yale, ein Magisterexamen in Harvard und obendrauf noch drei Jahre Praxis an der Wall Street. Die Intelligenztests und die Eignungsprüfungen hatte sie mit fliegenden Fahnen bestanden. Und die drei Agenten, die sie bei der mündlichen Prüfung durch die Mangel hatten drehen sollen, waren von ihr regelrecht bezaubert gewesen.
    In Anbetracht ihrer Beziehungen war es kein Wunder, dass die Recherchen hinsichtlich ihrer Vergangenheit keinerlei Probleme aufgezeigt hatten, und so war sie schließlich auf der FBI-Akademie in Quantico gelandet. Und dann hatte sie richtig angefangen, Ernst zu machen. Sie war körperlich fit und stark, sie lernte schießen, sie legte eine phantastische Leistung im Reaktionskurs für Durchsetzungsvermögen hin und schnitt bei den simulierten Schießereien in Hogan’s Alley hervorragend ab. Aber das Herausragendste an ihr war die Einstellung, die sie an den Tag legte. Sie schaffte zwei Dinge gleichzeitig. Zunächst einmal machte sie sich die ganzen ethischen Grundlagen des FBI in einer Art und Weise zu eigen, wie das bei Neuzugängen selten war. Allen wurde schnell völlig klar, dass sie es hier mit einer Frau zu tun hatten, die für das Büro ihr Leben geben würde. Aber zum Zweiten tat sie das auch auf eine Art und Weise, dass niemand das Gefühl hatte, sie würde zu dick auftragen. Sie ging alles so locker und humorvoll an, dass niemand je auf die Idee kam, sie nicht zu mögen. Vielmehr waren alle von ihr begeistert. Es gab nicht den geringsten Zweifel, dass das FBI mit ihr wirklich das Große Los gezogen hatte. Man schickte sie nach Chicago und wartete darauf, dass ihr Einsatz Früchte tragen würde.
     
    Als Letzte trafen in dem Sitzungszimmer im zweiten Stock eine Gruppe Männer ein, die gemeinsam erschienen. Dreizehn Agenten und der Agent-in-Charge McGrath. Die dreizehn Agenten drängten sich um ihren Chef, der im Stehen mit ihnen eine Art Grundsatzbesprechung abhielt. Sie klebten
förmlich an seinen Lippen. McGrath hatte so ziemlich jeden Vorteil für sich, den man sich vorstellen konnte. Er war ein Mann, der ganz oben gewesen, dann wieder heruntergekommen und jetzt im Außeneinsatz tätig war. Drei Jahre hatte er im Hoover Building als stellvertretender Direktor des FBI verbracht und hatte sich dann selbst um eine Herunterstufung und entsprechende Gehaltskürzung bemüht, um wieder im Außeneinsatz tätig sein zu können. Diese Entscheidung hatte ihn zehntausend Dollar Jahreseinkommen gekostet, aber seitdem fühlte er sich bei seiner Arbeit wieder richtig wohl. Außerdem hatte ihm sein Schritt die geradezu blinde Zuneigung der Männer eingetragen, mit denen er zusammenarbeitete.
    Ein Agent-in-Charge, wie die offizielle FBI-Bezeichnung lautet, noch dazu in einem Außenbüro wie Chicago, ist so etwas wie der Kapitän eines großen Kriegsschiffs. Theoretisch gibt es Instanzen über ihm, aber die sind alle ein paar tausend Meilen weit weg und sitzen in Washington. Sie sind Theorie. Der Agent-in-Charge ist Realität. Er übt sein Kommando aus wie die Hand Gottes. So sah jedenfalls das Chicagoer Büro McGrath. Und er tat nichts, um dieses Gefühl in irgendeiner Weise zu enttäuschen. Er war zurückhaltend, aber zugänglich. Er hielt eine gewisse Distanz ein, vermittelte seinen Leuten aber das Gefühl, dass er für sie alles tun würde. McGrath war ein kleiner, untersetzter Mann, ein Energiebündel, jemand, der eine Aura von Selbstsicherheit und Vertrauen ausstrahlte. Jemand, der seine Mitarbeiter allein dadurch, dass er sie führte, zu Höchstleistungen anspornte. Mit Vornamen hieß er Paul, aber alle nannten ihn Mack.
    Er ließ seine dreizehn Agenten Platz nehmen, zehn von ihnen mit dem Rücken zum Fenster und drei mit der Sonne in den Augen. Dann zog er einen Sessel ans Kopfende des Tisches, für Holly. Er selbst ging ans andere Ende zu einem Sessel an der Schmalseite. Saß damit seitlich zur Sonne. Und begann unruhig zu werden.
    »Wo ist sie?«, fragte er. »Brogan?«
    Der Abteilungsleiter zuckte die Schultern und hob beide Hände mit den Handflächen nach oben.
    »Eigentlich sollte sie schon hier sein«, sagte er.
    »Hat sie jemandem etwas aufgetragen?«, fragte McGrath. »Milosevic?«
    Milosevic und die fünfzehn anderen Agenten sowie der FBI-Anwalt zuckten alle die Schultern und schüttelten die Köpfe. McGrath begann noch unruhiger zu werden. Die Leute haben normalerweise ein Verhaltensmuster, einen Rhythmus, und der ist so verlässlich wie ein

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