Ausgeliefert: Roman (German Edition)
Das tat er jetzt. Reacher ließ seine Knie locker werden und sich senkrecht fallen. Schlug gleichzeitig mit dem Arm nach oben und wischte die Glock weg. Schlang den anderen Arm im weiten Bogen hinten um McGraths Knie und warf ihn flach auf den Boden. Presste die Hand über McGraths Handgelenk und drückte zu, bis sich sein Griff um den Kolben der Glock löste. Er hob sie am Lauf auf und hielt sie dem anderen hin.
»Sehen Sie sich das an«, sagte er.
Er schüttelte seine Hemdmanschette ab und zeigte dem anderen die verkrustete Schramme an seinem linken Handgelenk.
»Ich bin keiner von denen«, sagte er. »Die hatten mich die meiste Zeit mit Handschellen gefesselt.«
Dann hielt er die Glock wieder mit dem Kolben voran hin. McGrath starrte sie an und sah dann in die Lichtung hinüber. Er legte den Kopf zuerst nach links, dann nach rechts, um die drei Leichen sehen zu können. Sah dann wieder Reacher an, immer noch verwirrt.
»Wir hatten Sie zu den Bösen gezählt«, sagte er.
Reacher nickte.
»Das merke ich«, sagte er. »Aber warum?«
»Das Video von der Reinigung«, erklärte McGrath. »Das hat so ausgesehen, als ob Sie mit zu den Entführern gehören würden.«
Reacher schüttelte den Kopf.
»Harmloser Passant«, sagte er.
McGrath musterte ihn immer noch nachdenklich, überlegte. Jetzt sah Reacher, dass er eine Entscheidung getroffen hatte. Er nickte, nahm die Glock entgegen und legte sie auf den Waldboden, genau zwischen ihnen, so als wolle er damit eine Art Vertrag symbolisieren. Er fing an, an seinen Hemdknöpfen herumzufummeln. Die abgeschnittenen Seilstücke baumelten dabei von seinen Handgelenken.
»Okay, können wir noch mal von vorn anfangen?«, sagte er etwas verlegen.
Reacher nickte und streckte ihm die Hand hin.
»Aber sicher«, sagte er. »Ich bin Reacher, Sie sind McGrath. Hollys Agent-in-Charge. Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
McGrath lächelte ein wenig verlegen und schüttelte ihm schlaff die Hand. Dann begann er die Knoten an seinen Handgelenken zu lösen.
»Kennen Sie jemanden, der Garber heißt?«, fragte McGrath.
Reacher nickte.
»Das war einmal mein Chef«, sagte er.
»Garber hat uns gesagt, dass Sie sauber sind«, meinte McGrath. »Wir haben ihm nicht geglaubt.«
»Natürlich nicht«, sagte Reacher. »Garber sagt immer die Wahrheit. Deshalb glaubt ihm nie einer.«
»Ich sollte mich wohl bei Ihnen entschuldigen«, sagte McGrath. »Tut mir Leid, okay? Aber versuchen Sie mal, es aus meiner Sicht zu sehen. Sie waren seit fünf Tagen Staatsfeind Nummer eins.«
Reacher wischte die Entschuldigung weg und stand auf und war McGrath beim Aufstehen behilflich. Bückte sich und hob die Glock auf und reichte sie ihm.
»Ihre Nase? Alles in Ordnung?«, fragte er.
McGrath schob die Pistole in die Jacketttasche. Betastete dann vorsichtig seine Nase und verzog das Gesicht.
»Der Mistkerl hat mich geschlagen«, sagte er. »Ich denke, sie ist gebrochen. Hat sich einfach umgedreht und auf mich eingeschlagen, als ob er nicht warten könnte.«
Links von ihnen war ein Geräusch im Wald zu hören. Reacher packte McGrath am Arm und zog ihn tiefer ins Unterholz hinein. Er blieb reglos stehen und lauschte, ob sich etwas bewegte. McGrath hatte jetzt die Knoten an seinen Fußgelenken gelöst und nahm sich die Seilstücke ab. Er musste sich erst Mut machen, ehe er fragte:
»Dann ist Holly in Ordnung?«, fragte er.
Reacher nickte. Aber mit finsterer Miene.
»Bis jetzt schon«, sagte er. »Aber es wird verdammt schwierig sein, sie rauszuholen.«
»Ich weiß über das Dynamit Bescheid«, sagte McGrath. »Das war das Letzte, was Jackson durchgegeben hat. Montagabend.«
»Das ist ein Problem«, wiederholte Reacher. »Ein Schuss, der danebengeht, und es ist passiert. Und hier oben gibt es hundert schießwütige Leute. Was auch immer wir tun, wir müssen sehr vorsichtig sein. Haben Sie Verstärkung angefordert? Geiselbefreiungsteam?«
McGrath schüttelte den Kopf.
»Bis jetzt noch nicht«, sagte er. »Politik.«
»Das ist vielleicht gut so«, meinte Reacher. »Die reden von Massenselbstmord, wenn es so aussieht, als ob sie den Kürzeren ziehen würden. In Freiheit leben oder sterben, Sie wissen schon.«
»Was auch immer«, sagte McGrath. »Das ist deren Entscheidung.
Mir ist egal, was mit denen passiert. Für mich ist nur Holly wichtig.«
Sie verstummten und schlichen sich hintereinander durch die Bäume. Blieben schließlich tief im Wald stehen, etwa auf gleicher Höhe mit der
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