Ausgeliefert: Roman (German Edition)
den Lieferwagen traf. Eine Sekunde
lang geschah nichts. Dann hörte der Lieferwagen auf zu existieren. Er war plötzlich ein blendender Feuerball, der über den Highway rollte. Eine gigantische Schockwelle ging davon aus, traf den Helikopter und warf ihn zur Seite und hundertfünfzig Meter höher in die Luft. Der Pilot fing die Maschine am Ende ab und tauchte wieder schräg hinunter. Schlug einen Bogen und drückte die Nase der Night-Hawk nach unten. Dann war auf dem Highway mit Ausnahme einer dünnen Rauchwolke, die sich zu einem tropfenförmigen Gebilde von hundert Meter Länge entwickelte, nichts zu sehen. Keine Trümmer, kein Metall, keine durch die Luft fliegenden Räder, keine Wrackteile. Überhaupt nichts, nur mikroskopische unsichtbare Dampfpartikel, die um ein Mehrfaches schneller als der Schall in die Atmosphäre schossen.
Der Pilot schwebte ein paar Augenblicke über der Explosionsstelle und ließ sich dann nach Osten treiben. Setzte seine Maschine sanft hundert Meter vom Randstreifen entfernt in den Büschen auf. Schaltete die Motoren ab. Reacher saß in der betäubenden Stille und schnallte seinen Gurt auf. Legte die Barrett auf den Boden und sprang durch die offene Tür nach draußen. Ging langsam zum Highway hinüber.
Eine Tonne Dynamit. Eine ganze Tonne. Ein gewaltiger Knall. Es war überhaupt nichts übrig geblieben. Er nahm an, dass im Umkreis einer halben Meile das Gras platt gedrückt war, aber das war alles. Die gewaltige Energie der Explosion hatte sich nach außen entladen und auf ihrem Weg keinerlei Widerstand vorgefunden. Nichts Weiches, nichts Verletzbares. Sie hatte sich nach außen entladen und war schwächer geworden und langsamer und hatte sich in ein paar Meilen Entfernung zu einem Lufthauch, einer Brise, abgeschwächt und hatte keinerlei Schaden angerichtet. Überhaupt nichts. Er stand in der Stille da und schloss die Augen.
Dann hörte er Schritte hinter sich. Es war Holly. Er schlug die Augen auf und sah auf die Straße. Sie blieb vor ihm stehen. Legte den Kopf an seine Brust, drückte ihn an sich und hielt ihn fest. Er hob die Hand zu ihrem Kopf und glättete ihr Haar hinter ihrem Ohr, wie er das von ihr gesehen hatte.
»Alles erledigt«, sagte sie.
»Nimm dir ein Problem und löse es«, sagte er. »Das ist meine Regel.«
Eine Weile sagte sie gar nichts.
»Ich wünschte, es wäre immer so leicht«, sagte sie.
So, wie sie das sagte, nach der langen Stille, klang es wie eine lange Rede. Wie etwas, das sie sich gründlich überlegt hatte. Er tat so, als wisse er nicht, was das für ein Problem war, von dem sie redete.
»Dein Vater?«, sagte er. »Du bist jetzt weit aus seinem Schatten herausgetreten.«
Sie schüttelte den Kopf an seiner Brust.
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
»Glaub mir«, sagte er. »Das, was du für mich auf dem Exerzierplatz getan hast, war das Klügste und Tapferste, was ich je erlebt habe, von einem Mann oder einer Frau. Besser als alles, was ich jemals getan habe. Besser als alles, was dein alter Herr je getan hat. Für so viel Mumm würde er seine rechte Hand geben. Und ich auch. Du stehst nicht mehr im Schatten von irgendjemanden, Holly. Glaub mir.«
»Das hatte ich auch gedacht«, sagte sie. »Wirklich, das hatte ich. Eine Weile. Aber als ich ihn dann wieder sah, war mir genauso zumute wie immer. Ich habe Dad zu ihm gesagt.«
»Er ist dein Dad«, sagte Reacher.
»Ich weiß«, nickte sie. »Das ist ja das Problem.«
Eine Weile sagte er nichts.
»Dann musst du eben deinen Namen wechseln«, sagte er. »Damit könntest du es schaffen.«
Er spürte, wie sie den Atem anhielt.
»Ist das ein Antrag?«, fragte sie.
»Ein Vorschlag«, antwortete er.
»Du meinst, Holly Reacher klingt gut?«, fragte sie.
Jetzt war er an der Reihe, eine Weile zu schweigen. An der Reihe, zu verschnaufen. Und schließlich an der Reihe, das wirkliche Problem anzusprechen.
»Das klingt großartig«, sagte er. »Aber ich denke, Holly McGrath klingt besser.«
Sie gab darauf keine Antwort.
»Er ist doch der Glückliche, oder?« sagte er.
Sie nickte. Eine ganz leichte Bewegung ihres Kopfes an seiner Brust.
»Dann sag es ihm doch«, meinte er.
»Das kann ich nicht«, sagte sie. »Dazu bin ich zu nervös.«
»Das brauchst du nicht«, sagte er. »Vielleicht sagt er es dir.«
Sie blickte auf. Er sah sie mit einem Lächeln an.
»Meinst du?«, fragte sie.
»Du bist nervös, er ist nervös«, sagte Reacher. »Jemand sollte etwas sagen. Ich werde euch das nicht
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