Ausgerechnet Souffle'!
Arten ich sagen kann:
„Tut mir leid, Dr. Hennemann ist derzeit in einer Besprechung, soll er Sie zurückrufen?“
Falls er gerade nicht diktiert, telefoniert oder sich in einer Konferenz mit Schnittchen am Leben erhält (er hat grundsätzlich keine Zeit zum Mittagessen), geht mein Chef seiner Hauptleidenschaft nach. Mir den Büroalltag so schwer wie möglich zu machen. Nicht nur, dass er mir jeden Morgen einen nicht zu bewältigenden Berg an Schreibkram beschert. Das ginge ja noch. Nein, dazu besitzt er die anstrengende Angewohnheit, mich etwa alle zehn Minuten zu sich ins Zimmer zu rufen. Ich muss Blumen gießen, Kaffee brühen, eine Akte suchen, den Tisch wischen, ein Hemd aus der Reinigung holen … Kurz, er betrachtet mich als Putzfrau, Praktikantin, Butler, Chauffeur ... und nur sekundär als Sekretärin. Dabei ist er noch nicht mal freundlich. Seine Anweisungen klingen wie militärische Befehle und niemals ziert der Hauch eines Lächelns seinen schmalen Mund. Inzwischen notiere ich auch seine Höflichkeitsbekundungen. Bislang komme ich auf sechs Mal Danke. Meinen Geburtstag vergaß er ebenso oft. Der Boss würde mich bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße vermutlich gar nicht erkennen. Und ich bin mir nicht sicher, ob mich das freut oder frustriert.
Meine Kollegin Elfi traf es da bedeutend besser. Die arbeitet hauptsächlich für den Frentzen. Der Junganwalt besitzt keinen Doktor vor seinem Namen und darf nur die Bußgeldsachen bearbeiten, weswegen er sich nicht traut, unfreundlich zum Bodenpersonal zu sein. Objektiv betrachtet ist er ein arroganter Schnösel mit Profilneurose, der dem Chef in den Hintern kriecht. Aber seitdem ich ihn beim Klebstoffschnüffeln im Lagerraum erwischte, ist er immerhin berechenbar geworden. Darüber hinaus fällt der junge Mann auf jedes strahlende Frauenlächeln herein. Was man vom Hennemann nicht behaupten kann. An dem prallt mein weiblicher Charme ab wie ein Regentropfen an einer frisch polierten Kühlschranktür.
Ich bin ungeduldig. Ich gebe es unumwunden zu. Warteschlangen aller Art machen mich rasend. Oder sobald jemand nicht sofort versteht, was ich will, obwohl ich mich mehr als deutlich ausgedrückt habe. Langsame, bedächtige Menschen bringen mich zur Weißglut. Beruflich ist das im Grunde mein Tod. Wer hat jemals von einer Behörde gehört, die ein Anliegen prompt bearbeitet? Haben Sie einmal versucht, eine direkte Auskunft von einer städtischen Stelle zu bekommen? Genau das meine ich. Die enervierende Warteschleife im Ohr - und dann den Hennemann im Nacken, der mich gestern fragt, ob ich die Aufgabe von morgen schon erledigt habe.
Es wäre gelogen, zu behaupten, dass ich besonders unter meinem Job leide. Schließlich habe ich ihn mir ja ausgesucht. Ich zweifle allerdings in letzter Zeit immer öfter daran, so recht an diesen Schreibtisch zu passen, auf dem sich unzählige graue Akten türmen. Ehrlicherweise hat eine Elfi trotz geringerer Schulbildung, doppelter Masse und wesentlich gemächlicherer Arbeitsweise im Vergleich die Nase vorn: Sie sieht einen Sinn in dem, was sie tut.
Ich betrachte meinen wackelnden Zeh und genehmige mir ein letztes Häppchen Mousse. Der zarte Schmelz zerfließt auf meiner Zunge und ich muss lächeln. Schokolade macht eben glücklich.
Und da ist es plötzlich.
Kennen Sie das? Dieses: Warum tu ich nicht einfach was ganz anderes? Ein in losgelösten Momenten spontan Verrücktes: „Ich wandere aus, ich mach ´ne Kneipe auf“ oder „ich geh noch mal zur Uni“? Dieses Verzweifelte: „Was zum Teufel soll ich hier?!“
Der Stuhl wackelt gefährlich, als ich mich noch weiter zurücklehne und an die Decke starre. Was macht mir eigentlich Spaß? Ich schiele auf die leere Schale mit dem einsamen Löffel darin. Mein Blick wandert durch das Zimmer und bleibt an dem aufgeschlagenen Kochbuch auf dem Küchentisch hängen. Eine Vision! Bevor ich nach dem Geistesblitz fassen kann, ertönt ein unschönes Knacken und ich verliere das Gleichgewicht. Mit rudernden Armen und einem erschrockenen Quieken gehe ich zu Boden.
2. Krähm Brülle
Ich bin fest davon überzeugt, dass gutes Essen uns zu besseren Menschen macht. Ein wirklich hervorragendes Mahl zuzubereiten und zu genießen, bedarf der ganzen Person. Es erfordert alle Sinne, Gewürze passenden Speisen zuzuordnen und die Ingredienzien fein aufeinander abzustimmen. Manchmal entscheiden nur winzige Nuancen über Erfolg oder Misslingen. Der sensible Tastsinn der Finger dosiert
Weitere Kostenlose Bücher