Ausgerechnet Souffle'!
Couch hineinstellen. Wer braucht schon ein Wohnzimmer. Zumal mein erster großer Schwarm Morten Harket, Leadsänger der Boygroup AHA, in Realgröße als Starschnitt an der Küchentür haftet und einem immer so lasziv lächelnd die Klinke zeigt. Da tritt frau doch gerne ein. Oder?
Freitags erspare ich mir das Gedrängel im Coffeeshop. Dank Olgas Kaffee springe ich hellwach und mit wunderbarer Wärme im Bauch die Stufen im Treppenhaus hinunter. Meine Laune ist allein deshalb ausgesprochen gehoben, weil schon heute Mittag das Wochenende beginnt. Daran ändert sogar der Regenguss nichts, der hämisch wartet, bis ich schirmlos aus der Haustür trete, um sich dann an mir schadlos zu halten. Da es nur ein paar Meter bis zur Bahnstation sind, sehe ich es ihm nach.
Die Untergrundbahnen malen die wahren Stimmungsbilder der Großstadt. Es gibt in Köln kaum einen Ort, an dem so viele Menschen einander begegnen, ohne auch nur das Geringste gemeinsam zu haben. Ich finde es unheimlich spannend, mit der Linienbahn zu fahren. Vom Stadtviertel Mülheim, wo ich wohne, zähle ich elf Haltestellen bis zum Rudolfplatz. In diesen zwanzig Minuten reise ich bildlich ausgedrückt vom Sozialamt über Istanbul das Kleine, Afrika hinter Gittern, zur Sorbonne der Künste und weiter bis zur Wall Street. Mit den einzelnen Stationen färbt sich der Waggon in immer neuen Farben der menschlichen Auren. Wie ein Gericht, das vor Gewürzen und Geschmack explodiert. Ich sauge mit meinen Blicken jeden Eindruck in mir auf. Manchmal entsteht daraus eine bleibende sinnliche Erinnerung. Neulich saß eine junge Frau mir gegenüber, die unablässig Kaugummipapierchen faltete. Ich nehme stark an, sie hatte an diesem Tag schon einiges anderes als Pfefferminze konsumiert. Sie machte Schiffchen, Hütchen und einen Frosch, immerzu aus demselben Papierquadrat. Dabei murmelte sie lautlos vor sich hin. Ihre Finger arbeiteten äußerst geschickt und ich schaute fasziniert zu, wie sie Kunstwerke aus drei Mal fünf Zentimetern Silberfolie bastelte. Plötzlich hielt sie ein. Sah mir direkt ins Gesicht, sodass ich ertappt und verlegen zur Seite blickte. Sie stieg einen Halt vor mir aus. Im Vorübergehen ließ sie einen kleinen minzeduftenden Schwan in meinen Schoß fallen. Seitdem ist in meiner Vorstellung der Geruch von Minze untrennbar mit Origami verbunden.
Tabouleh mit frischer Minze
Man nehme:
1 Tasse Bulgur, mit heißem Wasser quellen, dann etwas abkühlen lassen-
1 große rote Zwiebel; gehackt,
4 Tomaten, gehäutet; entkernt, gewürfelt,
1 Bund glatte Petersilie; gehackt,
1 Bund frische Minze; fein gehackt,
etwas abgeriebene Zitrone und den Saft von zwei Zitronen, eine halbe Tasse Olivenöl, Salz, Pfeffer.
Alles gut durchmischen und eine Weile durchziehen lassen.
Dr. Johannes Hennemann ist schlecht gelaunt. Im Laufe der Zeit habe ich eine Art Sensor dafür entwickelt, welche seiner ausdruckslosen Mienen ich wie interpretieren muss. Dazu gehört meist irgendeine Bewegungskomponente in seiner sonst beherrschten Haltung. Heute klopft er leicht und unablässig mit dem Daumen gegen den Tassenrand. Kein gutes Zeichen. Die Luft steht irgendwie im Büro. Elfi lächelt mich kurz an (sehe ich da Mitleid in ihrem Blick?) und tippt sogleich konzentriert an ihrem Band weiter. Keine Hilfe zu erwarten. Sie hätte mich ja mal vorwarnen können. Per Rauchzeichen oder so.
„Frau Lehner, kommen Sie doch bitte in mein Besprechungszimmer.“
Spricht´s und verschwindet in seinem Refugium. Ups. Hätte ich ihm mal besser was von meiner Mousse von letzter Nacht übrig gelassen. Nix zum Bestechen griffbereit. Ich wage den Angriff nach vorn.
„Soll ich Ihnen gleich noch einen Kaffee mitbringen?“, rufe ich ihm gezwungen fröhlich hinterher. Er geht nicht mal auf meine Frage ein.
„Ich habe mit Ihnen zu reden. Jetzt!“ motzt es anstelle einer Antwort zwischen dem Spalt der Tür heraus.
Okay. Dann eben keinen Kaffee. Auf einer Es-gibt-Ärger-Skala von eins bis zehn eine glatte Elf. Ich schleiche schicksalsergeben in die Höhle des Löwen und schließe die Tür in meinem Rücken. Sodann rutsche ich auf den Besprechungsstuhl. Meine gute Laune ist wie weggeblasen. Dabei begann dieser Tag so gut. Er sagt nichts. Stattdessen knallt ein roter Aktenordner vor mir auf die Tischplatte. Ich runzle die Stirn. Die Akte kommt mir vage bekannt vor. Dr. Hennemann sieht mich schweigend an. Ich starre äußerst begriffsstutzig zurück. Es ist so still im Raum, dass
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