Ausgerechnet Souffle'!
empfindliche Kräuter und ermöglicht kunstvolles Zubereiten und Anrichten. Wer versucht, das Rezept eines Gourmetkochs zu lesen, sollte klaren Verstandes sein und Konzentration und Geduld mitbringen. Körperliche Fitness und motorisches Geschick sind die Basis von Schneiden, Kneten, Rühren und dem flinken Hantieren mit mehreren Gegenständen gleichzeitig. Und bitte vergessen Sie vorläufig die Küchenmaschine und unbedingt Fertigprodukte, wenn Sie in das wahre Nirwana dieser Kunst eintreten wollen. Ferner spielen Gefühle eine erhebliche Rolle. Der Vorgang des Kochens lässt uns nicht losgelöst von den alltäglichen Sorgen, sie fließen vielmehr in unser Tun ein und nötigen uns dazu, uns hinterfragen zu lernen. Das kommt manchem nicht gelegen. Im besten Fall jedoch verspürt man angesichts eines gelungenen Soufflés so etwas wie Demut.
Das perfekte Gericht möchte den Menschen ganz, mit seiner Lebensgeschichte und seinen Erfahrungen. Es bringt uns immer wieder an persönliche Grenzen, bereitet uns unvergleichliche Freude oder unsäglichen Kummer. Ein gutes Essen braucht aber vor allem Herz und Seele. Nur die Liebe bietet jenen einzigartigen Geschmack, der vollkommen ist.
Meine Putzfrau hat auch jede Menge Liebe. Sie singt. Olga nimmt sich einmal in der Woche meines Refugiums an. Dabei singt sie, wie gesagt. Immer und unablässig. Ich kenne sonst niemanden, der so begeistert Staub wischt. Es macht nichts, wenn ich ihre Lieder nicht verstehe. Olgas schräge Melodien trieben vermutlich jeden Musikexperten in den Freitod, doch in meinen Ohren klingen sie heimelig nach Schnee, Bollerofen und reichlich Wodka.
Ich liege unter meinem Federbett vergraben. Der Wecker hat noch nicht geklingelt, und als ich mich aus meiner Bauchlage auf den Rücken drehen will, fährt ein stechender Schmerz in mein Kreuz. Dunkel erinnere ich mich an den nächtlichen Sturz vom Stuhl und muss trotzdem grinsen. Gefallenes Schokomädchen um Mitternacht. Wie blöd auch. Die Schallwellen von Olgas Gesang durchbrechen die Schlafzimmertür, als rase die Transsibirische Eisenbahn durch die Wohnung. Wie jeden Freitag frage ich mich, ob ich sie dafür hassen soll, weil sie um Punkt sieben mit der Arbeit anfängt und dabei „Korobeiniki“ röhrt, oder sie vergöttere, da sie großartigen Kaffee brüht. Olga intoniert nicht nur russisch, sie spricht es natürlich auch. Ausschließlich. Wirklich, von meiner Putzfrau habe ich selten ein deutsches Wort vernommen. Sie kommuniziert äußerst erfinderisch mit Händen und Füssen und strahlt fortwährend. Manchmal nickt sie oder schüttelt den Kopf. Letzteres tut sie häufig, wenn sie meine Wäsche sortiert. Warum, kann ich bis heute nur erahnen.
Möchte ich Olga etwas Wichtiges mitteilen, so muss ich ihren Mann anrufen. Reichlich kurz angebunden sagt dieser meistens nur ja oder nein. Danach reiche ich Olga den Hörer und nach wenigen Minuten, in denen ein regelrechter Wortwasserfall aus ihrem Mund sprudelt, legt sie auf. Üblicherweise lächelt sie mich dann an und nickt. Manchmal schüttelt sie auch den Kopf. Wir verstehen uns einfach prima.
Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was sie in den Kaffee tut. Sie kocht ihn mit dem gleichen Wasser und mit demselben Espressopulver, welches ich ebenfalls benutze. Es ist mir schlichtweg ein Rätsel, wieso dieses duftende Getränk viel besser schmeckt, als das, was ich zuzubereiten vermag.
Irgendwann im Laufe der Zeit werde ich ihr Geheimnis lüften. Sie macht ihn „orientalisch“, das heißt, sie schüttet heißes Wasser in das mit Zucker vermischte Kaffeepulver. Wenn der Satz sich unten ablagert, seiht sie die oben liegende Flüssigkeit vorsichtig ab. Es ist übrigens Nonsens, dass die Russen alkoholische Getränke in ihren Kaffee kippen. Nur am Rande bemerkt: Wodka trinkt man da pur zum Essen, nicht gepanscht und schon gar nicht in Heißgetränken.
Das Innere eines Individuums offenbart sich in seiner Wohnungseinrichtung. Da ist was dran. Ich betrachte das eher differenziert. Den von Holzwürmern zerfressenen Kleiderschrank der bayerischen Oma sollte man nur so ideell sehen, wie ihm sein Inhalt gleichkommt. Dasselbe gilt für Hi-Fi-Schränke und CD-Regale. Kaum entspricht der äußere Schein dem tatsächlichen Blick hinein. Mit Menschen verhält es sich genauso. Ich hingegen finde, der wahre Eindruck von einer Wohnung wird durch etwas völlig anderes geprägt. Nämlich lange vorher. Haustüren werden gnadenlos unterschätzt. Meine Haustür
Weitere Kostenlose Bücher