Ausgerechnet Souffle'!
einer Großstadt. Allein aufgrund dieser Tatsache bin ich ein statistischer Durchschnittswert in Person. Ebenso mittelmäßig sind mein Job samt Einkommen und demnach auch der Inhalt meines Kleiderschranks. Aus rein existenziellen Beweggründen arbeite ich tagsüber in einer Rechtsanwaltskanzlei. Und damit ich Grund habe, mich am Montagmorgen wieder auf das Wochenende zu freuen.
Abends shoppe ich in der wunderbaren bunten Welt des World Wide Web nach einem neuen Kleid. Manchmal fahnde ich mittels Kontaktseiten nach meinem Mr. Mac Dreamy, der nur entfernt etwas mit Eiscreme zu tun haben sollte. Allerdings hätte ich nichts dagegen, wenn er so schmecken würde.
Ich sehe leidenschaftlich gerne fern. Leistet mir meine Freundin Britta Gesellschaft dabei, so bereichert mich ihr Besuch um eine Tüte Kartoffelchips sowie einen guten Rotwein, immerhin zirka tausend Kilokalorien. Grob geschätzt. Sie geht sodann ihre ausladenden Hüften schwenkend mit einer leeren Flasche heim und lässt mir das schlechte Gewissen da.
Samstags gehe ich aus. Wie jeder Single in Köln. Dabei habe ich Unmengen Spaß. Meistens. Mal mit und mal ohne Kerl. Mit den Männern verhält es sich wie mit Schokolade. Man verspürt erst unheimlich Lust darauf, verspeist dann leichtsinnigerweise zu viel davon und danach ist einem übel.
Ich liebe meine Stadt. Und ich hasse meinen Job. Echt. Das Anwaltsbüro liegt auf der angesagten Mittelstraße. Das ist jene Straße, die man beim Shopping garantiert meidet, wenn man an dem kargen Inhalt seines Portemonnaies hängt. Aber die Anwälte und Notare Dr. Hennemann, Frentzen & Partner legten Wert auf eine angemessene Adresse für ihren beeindruckenden Briefkopf. Selbstredend. Freilich haben sie Räume im obersten Stock gemietet. Wegen des Doms. Den sieht man nämlich nur von da oben, genauer gesagt aus dem Panoramafenster in Dr. Hennemanns Büro. Das Vorzimmer eröffnet nur den Blick auf die hässliche Seitenfassade von Starbucks nebenan. Dort stehe ich übrigens täglich, um Schlag zehn vor acht, mit der Order von einem „decaf light vanilla flavoured latte“. Natürlich habe ich die fett- und koffeinfreie Variante nicht im Mindesten nötig. Ich mag sie nicht mal sonderlich. Es klingt nur so ungemein amerikanisch, seinen Kaffee so zu bestellen. Manchmal gönne ich mir auch einen Frühstückssnack. Ein belegtes Brötchen mit einem Loch darin. Also, eigentlich ist so ein Bagel nichts als Betrug. Die Amis wollen einen glauben lassen, man kaufe was ganz Tolles. Um einem dann zu einem überzogenen Preis ein ausgehöhltes Teigbällchen anzudrehen, das ein bisschen wie Pappe schmeckt.
Aber bleiben wir bei Dr. Johannes Hennemann. Der Boss. Der Blödmann. Der, der sich jeden Tag aufführt, als sei Köln New York und er der Staranwalt Ed Fagan. Für normal Sterbliche erübrigt er morgens ein Nicken und abends ein erstauntes Zucken seiner Augenbraue, wagt man es, Feierabend zu machen. Der Typ diktiert täglich fünfundzwanzig Bänder und spricht nebenbei auf zwei Leitungen gleichzeitig. Er hat im wahrsten Sinn des Wortes immer alle Hände voll zu tun. In der Rechten hält er einen Telefonhörer, in der Linken meist einen Becher lauwarmen Kaffee. Ich habe es in den sechs Jahren meiner Laufbahn kein einziges Mal geschafft, vor ihm zu kommen oder nach ihm zu gehen. Er ist grob geschätzt Anfang vierzig mit beginnender Halbglatze auf dem kantigen Gesicht. Rasiert, natürlich. Seine eisblauen Augen werfen ebensolche Blicke über den Rand seiner metallenen Designerbrille. Immer wieder bewundere ich seine absolute Temperaturresistenz. Er trägt stets ein langärmliges Hemd mit Haifischkragen und eine korrekt gebundene Krawatte. Der aus feinstem Garn gewebte Anzug stammt von einem namhaften Textilhersteller, dessen Website ich mich nicht mal traue, zu besuchen. Und er besitzt mindestens zwanzig davon. Sein Outfit trotzt Minusgraden sowie Hitzewellen gleichermaßen und stellt quasi eine Art Ganzjahresbereifung dar. Lediglich die geschmackvollen, wenn auch gedeckten Farben variieren. Ich gebe beschämt zu, dass ich Buch führe. Bisher habe ich vierhundertsechsundvierzig verschiedene Kombinationen notiert.
Für sein Alter sieht er blendend aus. Dr. Johannes Hennemann wäre mit Sicherheit ein Frauentyp, hätte er neben seiner Arbeit noch andere Hobbys. Wie seine unsichtbare Gattin das wohl findet? Frau Hennemann habe ich tatsächlich nie gesehen. Gehört allerdings des Öfteren. Es ist erstaunlich, auf wie viele unterschiedliche
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