Ausgesetzt
Schleimer aus dem Büro seines Vaters ab, eine fette, ehrgeizige Maus mit Nickelbrille und einem vielsagenden Ausdruck auf seinem nichtssagenden Gesicht. Das gefiel Bobby auch, aber anders.
Diese arschkriecherische Maus lieferte ihn entweder bei seinem Vater im Büro ab oder im Sportclub, wo sein Vater sich fit hielt, indem er wie wild einen Ball quer über den Platz drosch. Bobby beobachtete gerne durch das große Fenster, wie sein wütender Vater mal hierhin raste und mal dorthin.
Sein Vater nahm Bobby mit zu Besprechungen in Restaurants. Er nahm ihn auf Geschäftsreisen mit, wo mindestens einer seiner Angestellten Bobby stets begleitete. Die Leute begannen darüber zu reden, wie wunderbar es war, dass sich ein Mann, so beschäftigt und so mächtig wie Bobbys Vater, so viel Zeit für seinen Sohn nahm. Das sagten sie auch zu Bobby.
Bobby wusste, was sie wirklich meinten – nämlich wie wunderbar es war, dass ein Vater seinen nicht sehr intelligenten, vielleicht sogar zurückgebliebenen Sohn überallhin mitnahm und sich seiner nicht schämte. Denn Bobby passte nicht zu den anderen, er sprach nicht laut, sprach meistens gar nicht, war mit seinen Gedanken meilenweit entfernt. Er wusste, dass er für seinen Vater eine einzige Blamage war, aber trotzdem hatten sie ein gemeinsames Geheimnis. Sein Vater sah das Licht, das in Bobby war, und in Furcht und Schauder behielt sein Vater ihn im Auge.
Er dachte an Alex. Alex drehte sich in der Luft. Alex tanzte zwischen den Wolken. Alex wuchsen große schneeweiße Flügel aus den Schultern.
Bobby konnte ihn dort sehen, wo früher die Decke seines Zimmers gewesen war, wie er über ihm schwebte und auf ihn herunterblickte.
Bobby schloss die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Er dachte an seine Schwester mit ihrem großen Bauch, wie sie unter der Eiche saß. Er sah sie auch deutlich vor sich. Unverwandt blickte sie jetzt zu ihm hoch, sie wollte ihn. Er rückte näher an sie heran und schob seine Hand in ihre Bluse. Ihre Brüste fühlten sich weich an und warm von Milch.
Er öffnete die Augen. Alex war weg. Seine Schwester war weg.
Von irgendwo draußen kam ein gedämpftes schabendes Geräusch, dann ein gleichförmiges Klopfen. Bobby stand auf, ging ans Fenster und zog den Vorhang zurück. Im Gemüsegarten harkte ein Junge. Es war der Sohn oder Enkel der Alten, die eigentlich seiner sterbenden Mutter helfen sollte. Aber es sah nicht so aus, als ob sie auch nur einen Finger rührte.
Bobby sah dem Jungen zu, wie er den trockenen Boden mit der Hacke bearbeitete. Er schwang sie nach unten und zog sie zu sich heran. Dabei riss er rote Erde und Unkraut heraus. Er trat einen Schritt zurück und hieb die Hacke erneut in die Erde. Auf diese Art arbeitete er sich die Furche mit den Pfeffersträuchern entlang bis zu Bobbys Fenster. Alles, was der Junge anhatte, waren alte Khakishorts. Seine Haut war fast blau, so schwarz war sie. Bobby konnte jeden einzelnen Wirbel seiner Wirbelsäule erkennen. Er sah das Spiel der jungen Muskeln unter den Schultern des Jungen. Sein Hals war schlank und zart.
Bobby war hypnotisiert, gefangen von der Lust am Schauen. Er drückte sein Gesicht an die kühle Fensterscheibe und schloss die Augen.
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27
E ine ältere Frau mit einer großen Stofftasche voller Lebensmittel kam den staubigen Pfad zu Miss Emiles Haus herauf. Jamie und Walker saßen zusammen auf einer grobgezimmerten Bank auf der Veranda. Die Frau nickte ihnen zu, als hätte sie erwartet, sie hier zu sehen, und ging ins Haus.
Die beiden Männer saßen schweigend da und rauchten. Schließlich fragte Walker: »Was hat Miss Emile denn gesehen?«
»Miss Emile ist alt, sie ist schon über neunzig«, sagte Jamie. Er lächelte und tippte sich an den Kopf, als hätte Miss Emile sie nicht mehr alle, aber er war nicht sehr überzeugend. »Beachten Sie sie gar nicht.«
Aber Walker ließ sich nicht so leicht abwimmeln. »Was ist das Ruhelose Kalb, Jamie?«
Jamie betrachtete eine Minute lang nur seine Schuhe. »Auf dieser Insel gibt es zwei Welten. Die der Christen, wie an der Schule, wo ich arbeite, und die der Geister. Miss Emile weiß so manches, sie sieht manches.«
»Wie zum Beispiel?«
»Sie sieht, was da ist«, erwiderte Jamie. »Wenn sie das Ruhelose Kalb sieht, dann ist es auch da. Vielleicht hat es still dagestanden, denn man sagt, es trägt Ketten, wie früher die Sklaven. Deshalb kann man es hören.«
Jamie warf einen Blick auf Walker, um zu sehen, ob er ungläubig,
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