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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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keiner. »Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie mich zu Miss Emile bringen würden.«
    Jamie sah ihn eingehend an, blickte hinüber zur Villa und lächelte wieder sein warmes Lächeln. »Klar bring ich Sie hin«, sagte er.
    Walker und Krista kehrten ins Hotel zurück und bestellten ein spätes Mittagessen oder auch ein frühes Abendessen. Sie saßen allein im Speisesaal.
    Als sie in ihr Zimmer kamen, stellten sie fest, dass es dort um etliche Grad heißer war als in der Sonne. Aus einer kleiner Öffnung über der Tür wehte zwar ein kühles Lüftchen, aber es war nicht sehr weise gewesen, vorhin beim Gehen die zwei Ventilatoren auszuschalten. Walker schaltete sie wieder ein, und Krista legte sich hin.
    Walker drehte den Wasserhahn im Bad auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er tränkte ein Handtuch mit Wasser, drückte es aus und nahm es mit hinüber, damit Krista sich die Stirn kühlen konnte. Als er sich neben ihr ausstreckte, schien sie schon eingeschlafen zu sein. »Magst du ein kaltes Handtuch? Ich hab eins da«, flüsterte er.
    »Nein, danke«, murmelte sie. Sie war tatsächlich schon am Einschlafen.
    Um halb sieben wachte Krista auf. Im Zimmer war es ein wenig kühler. Walker schlief neben ihr, sein Gesicht sah aus wie das eines kleinen Jungen, das Haar fiel ihm über die Augen.
    Sie kuschelte sich enger an ihn und betrachtete ihn. Sie studierte sein Gesicht, die dunkle Haut, die hervorstehenden Backenknochen, das Kinn. Sie hatte bereits entschieden, dass er allein zu Miss Emile gehen sollte. Sie konnte ihn ohnehin nicht vor dem beschützen, was ihn erwartete. Inzest? Sie versuchte, den Gedanken zu verscheuchen. Nichts würde sich ändern. Gar nichts.
    Ungefähr viertel vor sieben berührte sie die Spitze seiner schiefen Nase mit der Fingerspitze und drückte. Er schlug die Augen auf.
    »Mach dich fertig. Zeit für Jamie«, sagte sie.
     
    Jamie fuhr geräuschvoll auf einem alten Motorrad vor Sam’s Inn vor und vollführte ein dramatisches Bremsmanöver.
    »Wo ist der Laster?«, fragte er, als Walker sich von der Bank erhob, auf der er gewartet hatte.
    »Ich hab ihn Andy zurückgebracht. Krista lässt ausrichten, es tut ihr leid, aber sie ist wirklich müde. Vielleicht kann sie Miss Emile ja noch einmal besuchen, bevor wir abfahren.« Er schwang sich auf den Sitz hinter Jamie.
    »Klar, dass sie müde ist«, sagte Jamie.
    Er stieg ein paarmal aufs Gas, um Walker zu signalisieren, er solle sich festhalten, schwenkte in die Straßenmitte und preschte durch das Dorf. Die Kurve am Kai nahm er mit halber Geschwindigkeit und düste dann die lange, sich sanft den Three Mile Hill hochschlängelnde Straße weiter.
    Vor ihnen ging die Sonne allmählich unter, sie war schon halb versunken und leuchtete rot hinter den Bäumen auf der Kuppe von Three Mile Hill. Lange Schatten zogen über ihnen hinweg, die noch immer heiße Luft strömte vorbei, der Motor brummte.
    Jamie hatte sein Arbeitshemd gegen ein frisches weißes T-Shirt eingetauscht, aber die Arbeitshosen und -schuhe trug er noch. Das Haar hatte er sich fest an den Schädel geklatscht, Walkers Haar dagegen flatterte in alle Richtungen. Sie lehnten sich in den Wind und legten sich flach in die Kurven.
    Jamie drosselte den Motor und fuhr unmittelbar vor dem Plateau und der Christian Way School von der Straße ab. Sie fielen beinahe einen steilen Abhang hinunter, folgten einem kaum sichtbaren Pfad zwischen den Bäumen.
    »Abkürzung«, brüllte Jamie nach hinten zu Walker.
    Er bog im rechten Winkel ab und steuerte das Motorrad über kleine Buckel und Senken tiefer in die Wälder hinein. Die Bäume schlossen sich über ihren Köpfen. Dunstiges Grau stieg allmählich von der Erde auf, und ein feuchter, beißender Geruch lag in der Luft. Minuten später knatterten sie auf eine Lichtung.
    Jamie verlangsamte das Tempo und fuhr auf eine winzige Hütte zu. Mit einer Drehung hielt er davor an. Walker stieg ab.
    »Tolle Fahrt«, sagte er.
    Jamie grinste und bockte die Maschine sorgfältig auf. »Hier hat Miss Emile früher gewohnt. Hier ist sie aufgewachsen. Sie hat ein hübsches Haus näher bei der Schule. Aber sie ist zum Sterben hierher zurückgekommen.«
    Walker nickte. Sein Kopf fühlte sich an, als führe er noch immer bergauf und bergab.
    Jamie stieg die wackeligen Holzstufen hoch und stieß die Tür auf. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen erschien im Eingang. Er zauste ihr sanft das Haar und verschwand im Haus.
    Walker ging zur Treppe.
    »Hi«, sagte das

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