Ausgesetzt
dem Gesäß, endlose Nähte die Beine entlang, wie die Zeichen eines Initiationsrituals irgendeines obskuren Stammes. Doch sie hatte sich unnötig gequält.
Er war einfach da, mit seinen dunklen Augen, seinem sehnigen Körper. Er strich über sie hinweg, war überall zugleich, war wie ein plötzlicher Sturm. Sie fielen in die Dunkelheit, waren blind, mit drängender Zärtlichkeit flogen seine Hände über ihren Körper, er kam zu ihr, und sie war ganz und gar die Königin der Liebe, die Königin der Leidenschaft.
Und als es vorbei war, zeichnete Walker nicht die Linien ihrer Narben nach, er küsste sie auch nicht, um seine philanthropische Gesinnung unter Beweis zu stellen, wie das ein anderer Mann einmal getan hatte. Er umhüllte einfach ihr ganzes Sein mit seinen Armen und Beinen, der Wärme seines Bauchs und seiner Brust. Und seine Hand, die wanderte, wohin es ihr gefiel. Er biss sie in die Nasenspitze. Wieder suchte seine Zunge ihre Zunge. Und wieder war er überall.
Andy, der freundliche Mann mit dem Bus, stand am nächsten Morgen in seinem Vorgarten und reparierte sein dienstunfähiges Vehikel.
Als Walker zu ihm kam, hielt er gerade einen Vergaser in den ölverschmierten Händen und funkelte ihn zornig an, als hätte der ihn persönlich beleidigt und würde gleich über den Zaun beim Nachbarn landen.
»Ich würde gern noch mal Ihren Laster mieten«, sagte Walker. Beim Frühstück hatten er und Krista beschlossen, zur St.-Thomas-Kirche zu fahren. Tom Tait hatte ihnen erklärt, wie sie zu fahren hätten. »Ich brauche ihn nur am Vormittag. Wie hoch ist der Preis für den halben Tag?«
»Es gibt keinen Preis für den halben Tag«, sagte Andy.
»Aber ich brauche ihn nur eine Stunde oder so. Wir fahren nur hinauf nach St. Thomas.«
»Es gibt keinen Preis für den halben Tag«, wiederholte Andy stur und sah Walker mit dem einen guten Auge unverwandt an.
»Sollte es aber«, sagte Walker störrisch.
»O. K.«, antwortete Andy. »Sie haben gewonnen. Ich mache Ihnen einen Preis für den halben Tag.«
»Sehr gut«, sagte Walker. »Wieviel?«
»Den gleichen wie für den ganzen Tag.«
Einen Augenblick starrte Walker ihn nur an. »In Ordnung«, sagte er dann.
Er half Krista beim Einsteigen. Er dachte, dass sie schöner als je zuvor aussah. Sie hatten sich den ganzen Morgen angelächelt, waren sich ein bisschen blöd vorgekommen und irgendwie auch ein bisschen fremd.
Die Kirche lag genau in der entgegengesetzten Richtung von Robinson’s Place. Die Straße führte hinunter ans Meer, an einigen Fischerbooten vorbei, die nach der morgendlichen Ausfahrt schon wieder im sicheren Hafen lagen, vorbei an verwitterten Lagerschuppen und Gerüsten, die aussahen wie riesige hölzerne Schaufelräder. Darauf hingen Netze und Ausrüstung zum Trocknen. Bald verengte die Straße sich zu einer Fahrspur und führte immer steiler am Rand einer Klippe empor, bis der alte Laster fast auf dem Heck stand. Walker musste in den ersten Gang herunterschalten. Das einzige, was sie durch die Windschutzscheibe sehen konnten, war ein riesiger blauer Himmel und hoch oben dahintreibende weiße Wolken. Es sah so aus, als würden sie, sollte die Straße noch steiler werden, entweder rückwärtsrutschen oder sich nach hinten überschlagen.
Krista hielt sich mit einer Hand am Türgriff und mit der anderen an Walkers Bein fest. Als sie den Gipfel erreicht hatten, senkte sich das staubige Vorderteil des Wagens langsam wieder. Tief unten erstreckte sich das offene Meer, weißgetupft von fliegenden Möwen. Richtung Westen sicherte, soweit sie sehen konnten, eine Reihe von Klippen die Insel. Ganz oben auf ihrer Klippe bildete die Straße einen großen Kreis und führte dann, als hätte sie resigniert, den Abhang wieder hinunter.
Walker fuhr im Kreis. An der vom Rand der Klippe am weitesten entfernten Stelle stand eine kleine Holzkirche. Walker hielt an.
Die Kirche war frisch gestrichen und strahlte blendend weiß in der Sonne. Neben der blauen Tür war ein schmales Buntglasfenster in die Wand eingelassen.
Walker stieg aus und half Krista aus dem Wagen.
Die Kirche wirkte einladend, vielleicht wegen des starken Kontrasts zu ihrer Umgebung. Inmitten der gewaltigen Felsmasse mit jenem kurzen harten Gras, das sich in der Dauerbrise an sein ständig gefährdetes Leben klammerte, dem weiten Ozean darunter und dem unendlich weiten Himmel darüber stand dieses winzige Pünktchen, diese zerbrechliche Zuflucht.
Sie öffneten das Tor und gingen den
Weitere Kostenlose Bücher