Außer Atem - Panic Snap
damit der Riss nicht so deutlich zu sehen ist.
»Was machen Sie denn hier?«
Ich wirbele herum, stoße mir den Kopf am Schreibtisch, werfe dabei einige seiner Papiere zu Boden. James füllt die Türöffnung vollständig aus. Er trägt einen dunklen Anzug, das Jackett lässig über die Schulter geworfen; es hängt an seinem Daumen wie an einem Haken. Da er im Gegenlicht steht, ist sein Gesicht verschattet und nicht zu deuten.
»Sie haben mich erschreckt«, sage ich schließlich. »Ich dachte, Sie wären den ganzen Tag unterwegs.«
Er schließt die Tür, legt sein Jackett über eine Stuhllehne und kommt auf mich zu. Instinktiv weiche ich in Richtung Schreibtisch zurück. Er sieht mich an, registriert mein Zurückweichen, schweigt aber; er bückt sich und hebt die Papiere auf, die ich heruntergeworfen habe. Für einen so großen Mann bewegt er sich leicht und mit sicherer Anmut. Sein Hals ist kräftig, seine Schultern sind breit. Er ist ein kerniger Mann. Nun wirft er die Papiere auf den Schreibtisch.
»Ich bin früher fertig geworden«, sagt er. »Endlich hat eine Sitzung sich mal nicht so hingezogen.« Er hat eine tiefe, etwas raue Stimme, angenehm voll, sinnlich, so als seien alle Vokale in Samt gehüllt. »Und Sie?«, fragt er, starrt mich an und wartet auf eine Erklärung.
»Ihre Mutter hat mir den Schlüssel gegeben«, sage ich. »Sie haben sich eine Servierplatte ausgeliehen, die sie heute Abend benutzen möchte.« Ich sehe ihn kühl an und zwinge mich, ruhig zu klingen. »Ich habe danach gesucht.«
Er blickt auf den Schreibtisch herab und erwidert nichts, aber ihm ist anzusehen, dass er sich fragt, warum ich gerade in seinem Arbeitsbereich nach einer Servierplatte gesucht habe. Sein Blick gleitet über den Computer, die Papierstapel und den offenen Brief. Ich hüte mich, den zerbrochenen Bilderrahmen anzusehen. Er legt die Hände auf die Rückenlehne des Schreibtischsessels und schiebt ihn langsam unter den Tisch.
»Sie steht neben der Haustür«, sagt er und geht hinüber zur Tür. Ich folge ihm.
»Ich habe sie hierher gestellt, damit ich daran denke, sie zurückzubringen.«
Die Platte steht auf einem niedrigen Holztisch neben der Tür. Das Schlüselbund liegt am anderen Ende des Tisches, wo ich es offenbar abgelegt habe. Ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt. Er beobachtet mich, bemerkt meine Verlegenheit, schweigt aber. Schon beim Hereinkommen hätte ich die Platte sehen müssen, und ich hätte sie auch gesehen, wenn ich wirklich nach ihr Ausschau gehalten hätte.
Er nimmt die Platte auf und reicht sie mir.
»Danke«, sage ich. »Ich habe sie wohl übersehen.« Er glaubt mir nicht, das ist offenkundig. Ich erwähne murmelnd, dass ich einen Kuchen im Herd habe, und gehe. Kaum draußen, stoße ich einen Seufzer der Erleichterung aus. Als ich plötzlich seine Hand auf meiner Schulter spüre, erstarre ich.
»Die haben Sie vergessen«, sagt er, als ich mich umdrehe, und hält mir das Schlüsselbund hin. Die Geste hat etwas Herausforderndes, als wollte er geradezu, dass ich die Schlüssel nehme, als hätte er nichts zu verlieren dadurch, dass ich Zugang zu seiner Privatsphäre bekomme. Ungefähr fünfundzwanzig bis dreißig Schlüssel hängen an dem Metallring, Ersatzschlüssel für sämtliche Schlösser auf dem Anwesen, die für Notfälle im Haupthaus aufbewahrt werden.
Ich zögere, mir ist nicht wohl.
Er sagt: »Meine Mutter hätte Sie nicht in mein Haus lassen sollen; immerhin wusste sie, dass ich nicht zu Hause war.« Flüchtig zuckt er die Achseln und fügt hinzu: »Aber das ist nicht Ihr Problem. Ich werde mit ihr sprechen.«
Wieder hält er mir die Schlüssel hin. Als ich noch immer zögere, sagt er: »Hier«, und schiebt sie mir in die Hand.
Ich drehe mich um und gehe davon. Im Wegfahren sehe ich ihn in der offenen Tür stehen und mir nachschauen. Zweifellos fragt er sich, was ich wirklich in seinem Haus getan habe, warum ich mich auf seinem Schreibtisch umgesehen habe. Ich bin sicher, dass er mich für harmlos hält. Es ist ein Vorteil, dass die Leute bei kleinen Frauen automatisch eine Unschuld voraussetzen, die nicht immer gegeben ist; so als könne eine Frau keinesfalls klein
und
durchtrieben sein. Doch er hätte mir den Schlüssel zu seinem Haus nicht anvertrauen dürfen. Ich werde mir ein Duplikat anfertigen lassen.
4
Ich sitze im Schaukelstuhl auf meiner Veranda, schwinge sanft vor und zurück und beobachte den Sonnenuntergang am westlichen Himmel, der die Farbe jungen
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