Außer Atem - Panic Snap
liegt in der Luft, frisch das junge Gras, das auf den Hügeln sprießt, und süß wie der Duft der Wildblumen, die in allen Farben zu blühen beginnen. Der Frühling ist die Zeit der Erneuerung und Wiedergeburt, eine sehr sexuelle Zeit; neue Knospen wachsen, platzen, und zarte Blätter sprießen heraus. Unwillkürlich denke ich an meinen eigenen Neubeginn. Mir ist, als würde ich wie die Rebstöcke aus einem langen Winterschlaf erwachsen, aus einer fünfzehnjährigen Ruhezeit, aus der ich endlich auftauchen muss.
Ich halte vor James' Haus, das hinter dem Hügel etwas abseits steht und von der Hauptstraße aus, die das Anwesen der McGuanes in zwei Teile zerschneidet, nicht zu sehen ist. Es ist ein großes Haus aus rötlich-braunen, unregelmäßigen Steinen, die mit Mörtel zusammengefügt sind. Es ist älter als die Kellerei, wie Mrs. McGuane mir erzählt hat; ein Bauer hat es gebaut, aus Naturtuffstein – komprimierter Asche –, den es in dem nahe gelegenen Steinbruch von Glass Mountain gibt. Ursprünglich war es eine Scheune; James hat es, als er sich entschloss, aus dem Hauptgebäude auszuziehen, zu einem Wohnhaus umgebaut.
Ich gehe zu der hohen, bogenförmigen Haustür, schiebe den Schlüssel in das Schloss und drehe den Knauf. Einen Moment lang zögere ich, weil ich mich fürchte vor dem, was ich finden könnte, doch dann drücke ich die schwere Tür auf. Ich bleibe auf der Schwelle stehen, sehe mich um und bin noch immer nicht bereit einzutreten. Die ursprüngliche Konstruktion scheint erhalten geblieben zu sein – scheunenartig, mit viel freiem Raum und einer hohen, gewölbten Decke. Die obere Etage ist eher ein Zwischengeschoss, eine Art Galerie, gesichert durch eine Holzbalustrade, auf der Höhe, auf der sich früher wohl der Heuboden befunden hat. Ich sehe mit Unbehagen – rührt hier meine Aversion her? –, dass der Fußboden aus schwarzen, in einem Fischgrätmuster verlegten Backsteinen besteht, und dass die Bogenfenster ebenfalls von Backsteinen eingefasst sind. Der Raum sieht sehr altertümlich aus, karg, die Dachsparren unverkleidet. Und da es keine Trennwände gibt, gehen alle Wohnbereiche ineinander über. Das gesamte Gebäude strahlt eine gediegene Männlichkeit aus, es ist sachlich und kühl und gleichzeitig elegant, mittelalterlich und dramatisch. Ich betrachte den gemauerten Kamin, den langen Holztisch und die dunklen Gemälde an den Wänden.
Und dann sehe ich sie: die schwarze schmiedeeiserne Wendeltreppe, die zur zweiten Ebene hinaufführt. Ohne Vorwarnung stockt mir der Atem. Trotz des offenen Raums überfällt mich eine Platzangst, die mir den Hals zuschnürt, als mir unzweifelhaft klar wird, dass ich hier schon einmal gewesen bin. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich an das Haus erinnere oder an das Mobiliar, doch auf eine seltsame Art ist mir alles vertraut, und das jagt mir Schauer der Angst über die Haut. Unzusammenhängende Eindrücke, lose Fetzen von Erinnerungen zersplittern die Luft um mich herum. Ich versuche, mich auf die Gemälde zu konzentrieren, doch sie entgleiten mir wie Träume, die sich im Tageslicht auflösen. Gebannt starre ich die schmiedeeiserne Treppe an.
Das Hupen eines Autos, das sicherlich zu einem der Weinproben-Besucher gehört, holt mich zurück in die Gegenwart. Ich schaudere. Noch immer plagt mich etwas in den Tiefen meines Erinnerungsvermögens, doch ich bekomme es nicht zu fassen. Vor Jahren haben die Ärzte versucht, meine Erinnerungen der Vergessenheit zu entreißen. Sie haben Barbitursäure-, Thiopental- und Barbiturat-Präparate eingesetzt und auch Hypnose. Nichts hat geholfen. Was auch immer in diesem Haus geschehen sein mag, es muss etwas sein, an das ich mich nicht erinnern möchte.
Ich trete ein und schließe die Tür hinter mir. Als ich mich umdrehe, entdecke ich das große Gemälde an der Wand und nehme die Einzelheiten wahr, die mir bislang entgangen waren. Schwarze Flächen und Grautöne beherrschen das Bild, erdrücken es geradezu, und ein blutroter Farbstrich hebt sich von ihnen ab. Nach und nach erkenne ich, dass in den düsteren Schatten eine Frau liegt, die aus einer Wunde blutet; ihr dunkles Gesicht hat einen überraschten Ausdruck. Ich gehe weiter, wandere langsam durch den Raum und betrachte auch die anderen Gemälde eingehender, wobei ich mich leicht benommen fühle. Sie sind alle dunkel und schauerlich und zeigen verstümmelte Körper, vor Entsetzen verzerrte Gesichter, Szenen von Gewalt, Verfall. Es sind grausame Bilder, die
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