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Außer Atem - Panic Snap

Außer Atem - Panic Snap

Titel: Außer Atem - Panic Snap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Reese
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mich fesseln, die es dem Betrachter schwer machen, sich abzuwenden, die beklemmend sind in ihrer schieren Rohheit. Ich gehe näher heran. Alle Gemälde sind mit »J.McG.« signiert. Es sieht ganz so aus, als gäbe es zwischen James und mir eine Verbindung – wir sind beide fasziniert vom Morbiden, Makabren. Doch während er sich ihm offenbar annähert, scheue ich davor zurück.
    Wirklich? Seine Gemälde müssten mich eigentlich abstoßen, doch das tun sie nicht. Ich spüre, dass ich sie instinktiv verstehe, und wünsche, es wäre nicht so. Vor einem Jahr noch, sogar vor einem Monat noch hätte ich mich voller Abscheu abgewandt. Nun lockt mich das Böse in ihnen, und das erschreckt mich.
    Ich schaue auf die Uhr. Ich vergeude wertvolle Zeit. Ich beschließe, oben anzufangen, weil ich dort das Schlafzimmer vermute, doch dann überlege ich es mir anders und gehe hinüber in die rechte Ecke, wo James sich mit einem antiken Schreibtisch, einer langen Kredenz aus Walnussholz, einem Aktenschrank mit drei Schubladen und mehreren Bücherschränken mit Glasfronten eine Art Arbeitsraum eingerichtet hat. Neben der Kredenz befindet sich eine Hintertür und ein mit Backsteinen eingefasstes Bogenfenster. Ich schaue hinaus in einen betonierten Innenhof, in dem schmiedeeiserne Terrassenmöbel stehen, und weiter hinten sehe ich ein kleines Häuschen, das wie ein Werkzeug- oder Vorratsschuppen aussieht. Es ist aus dem gleichen rötlich-braunen Tuffstein gemauert, an der Tür hängt ein riesiges Vorhängeschloss.
    Ich kehre zu James' Arbeitsplatz zurück. Der Schreibtisch ist zwar voll gepackt, doch die Papiere sind ordentlich gestapelt, und der Computer ist ausgeschaltet. Ich setze mich und blättere in den Papieren: ein paar unbezahlte Rechnungen, Veranstaltungshinweise, Visitenkarten von Geschäftsfreunden, ein Brief von einem Freund aus Colorado, der ihn zu einem Besuch einlädt.
    Ich lege den Brief weg und öffne die oberste Schublade – Stifte, ein Lineal, Notizblöcke, Briefmarken, Klebestreifen, Adressaufkleber. Die nächste Schublade ist mit Akten voll gestopft. Ich blättere sie schnell durch – sie betreffen nur die Geschäfte der Weinkellerei. Die unterste Schublade enthält persönlichere Papiere; Quittungen, Scheckabschnitte, Bankauszüge. Nichts, was für mich von Bedeutung ist. Ich lehne mich auf dem Sessel zurück. Zwei gerahmte Fotos stehen auf seinem Schreibtisch. Eins von seinen Eltern, als sie noch jünger waren, es ist vielleicht vor zehn oder fünfzehn Jahren aufgenommen. Sein Vater war genauso wuchtig und stämmig wie er. Das andere Foto zeigt James und Gina, auch in jüngeren Jahren, vielleicht mit Anfang zwanzig. Arm in Arm stehen sie da, lächeln in die Kamera und sehen aus, als könnte nichts und niemand ihnen etwas anhaben. Wieder fällt mir die Vertrautheit zwischen ihnen auf.
    Ich nehme das Foto hoch und betrachte James. Sein Lächeln ist schwach, er scheint abgelenkt, vielleicht sogar gelangweilt. Das Bild kann sein Wesen, die gebändigte Intensität seiner Ausstrahlung nicht wiedergeben. Warum, frage ich mich, fühle ich mich von ihm so angezogen? Klar, er sieht gut aus, doch ich spüre, dass mehr dahinter steckt. Ich starre das Foto an, als könnte es mir die Antwort liefern. Was hast du an dir, James, dass ich dich haben möchte?
    Ich höre das Knirschen von Autoreifen auf Kies. Erschrocken springe ich auf und lasse das Foto auf den Boden fallen. Hastig durchquere ich den Raum, schaue aus dem Bogenfenster und fahre zusammen. Der schwarze Cherokee steht im Schatten eines Baums, gerade steigt James aus. Mit leichtem Stirnrunzeln betrachtet er mein weißes Kabriolett, dann kommt er auf das Haus zu.
    Ich sause zurück zum Schreibtisch, überprüfe, ob alle Schubladen geschlossen sind, begradige die Papierstapel. Dann nehme ich den Brief des Freundes in Colorado auf, den ich gelesen habe, und versuche mich daran zu erinnern, wo er gelegen hat. Ich lege ihn neben die Visitenkarten. Nein, dort war er nicht. Ich schiebe ihn auf die andere Seite des Schreibtischs. Bedauernd sehe ich den Aktenschrank an, den durchzusehen ich keine Zeit mehr hatte.
    Der Türknauf drehte sich mit einem leise kratzenden Geräusch, das in dem großen Raum förmlich widerzuhallen scheint. Ich bücke mich und hebe das Foto auf. Beklommen betrachte ich den langen senkrechten Riss im Glas. Als ich höre, dass die Tür aufgeht, stelle ich das Foto hastig so auf den Schreibtisch, wie ich es vorgefunden hatte, und kippe es ein wenig,

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