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Ausser Dienst - Eine Bilanz

Titel: Ausser Dienst - Eine Bilanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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mit ihrem privaten Vermögen, sondern nur mit ihrem Ruf und mit ihrer Stellung (und damit verbundenen möglichen späteren Einkommenseinbußen). Ich plädiere mit diesem Vergleich keineswegs für höhere Bezüge eines Bundeskanzlers oder seiner Minister, wohl aber für Anstand und Maß bei den Bezügen der Spitzenmanager.
    Die ansteckende Habgier hat bei uns inzwischen ein hohes Maß an Unbehagen, Unzufriedenheit und auch Neid ausgelöst. Wer gleichzeitig mit der Erhöhung der Gewinne und Dividenden die Absicht zur Entlassung von Zehntausenden Arbeitnehmern bekannt gibt, muß es sich gefallen lassen, daß sein soziales Verantwortungsbewußtsein und seine Moral in Zweifel gezogen werden. Ebenso moralisch zweifelhaft ist es, wenn der »share holder value«, also der Gewinn der Aktionäre, zur obersten Maxime eines Managers erklärt wird. Um so wünschenswerter bleiben eine kritische Kommentierung insbesondere der Aktiengesellschaften durch die unabhängige Presse und eine vom Gesetzgeber erzwungene Durchsichtigkeit der Bilanzen. Zugleich ist zu wünschen, daß Bundestag und öffentliche Meinung weiterhin die Bemühungen um einen Anstandskodex für Manager unterstützen. Um das Vertrauen in die Unternehmensführung deutscher Gesellschaften zu stärken, soll ein »Deutscher Corporate Governance Kodex« helfen, die in Deutschland geltenden Regeln sowohl für die Leitung als auch für die Überwachung von Unternehmen für nationale wie internationale Investoren durchsichtig zu machen. Das Transparenz- und Publizitätsgesetz des Jahres 2002 war ein wichtiger Schritt; jetzt kommt es darauf an, daß die Wirtschaftsprüfer die Umsetzung kritisch begleiten.
    An dieser Stelle ist ein Lob für die große Mehrzahl der Eigentümer-Unternehmer angebracht: In der Regel haben sie ein stärker ausgeprägtes soziales Verantwortungsbewußtsein als die angestellten Manager. In meiner Heimatstadt gibt es seit Jahrzehnten viele Beispiele für sozial geprägte Unternehmer und eine Vielzahl großer privater gemeinnütziger Stiftungen. Da in Hamburg kein Kaiser, König oder Fürstbischof Paläste, Theater oder Kunstsammlungen, Waisenhäuser, Spitäler und Altenheime gebaut hat, haben private Bürger mit wohltätigen Stiftungen die Lücken gefüllt. Den Sievekings, den Laeisz’ oder Siemers sind zum Beispiel Gerd Bucerius, Kurt Körber und Alfred Toepfer oder die Ottos und die Greves gefolgt. Bald eintausend private gemeinnützige Stiftungen haben Hamburg bereichert, eine in Deutschland einmalige Leistung.
    Auch außerhalb Hamburgs gibt es eine Vielzahl von Unternehmern dieses ungewöhnlichen, aber vorbildlichen Typs des sozial gesinnten Kapitalisten. Ob Bosch, Krupp, Mohn (Bertelsmann) oder auch Klaus Tschira und Hans-Werner Hector – sie haben kraft ihrer Fähigkeiten erfolgreiche Unternehmen geschaffen und große Vermögen gebildet, aber nur einen kleineren Teil davon für sich selbst oder ihre Familie behalten. Den anderen Teil haben sie durch Wohlfahrtseinrichtungen, durch Stiftungen oder durch ihr Testament für sozialen Ausgleich und für das öffentliche Wohl verwendet. Alle diese Eigentümer-Unternehmer waren in ihrer Gesinnung nicht nur eigennützig, sondern empfanden ihre kulturelle und soziale Verantwortung für das öffentliche Wohl. Das Prinzip des Grundgesetzes – »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen« –ist eben nicht bloß ein notwendiges Wort auf dem Papier, sondern viele Eigentümer-Unternehmer verstehen es auch als eine Verpflichtung. So sind manche von ihnen in ihrem gesellschaftlichen Umfeld zum Vorbild geworden.
    Die bedeutenden gemeinnützigen Stiftungen in Deutschland sind fast allesamt nicht von Vorständen großer Aktiengesellschaften ins Leben gerufen worden, sondern vielmehr von Privatpersonen, von einzelnen Kaufleuten und Industriellen; um so größer ist deren Verdienst. Heute sind in Deutschland die Begriffe Mäzen und Philanthrop leider aus der Mode gekommen, an deren Stelle ist weitgehend der Sponsor getreten. Aber ein Sponsor will Reklame für seine Produkte machen, oft ist er weniger ein Wohltäter als ein Markenartikelverkäufer. Dagegen ist moralisch nichts einzuwenden. Viel dringender aber braucht unser Gemeinwesen echte Philanthropen und Mäzene und Stifter.
    Leider bleiben viele Wohltäter weitgehend anonym. Mir tut dies leid. Ihre aus privaten Mitteln errichteten gemeinnützigen Stiftungen bedürfen der Anerkennung durch die Gesellschaft. Warum

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