Ausser Dienst - Eine Bilanz
ebenso häufig, bleiben der Öffentlichkeit jedoch meist verborgen. Weil bei uns Medien, Rechtsstaat und Demokratie recht gut funktionieren, kommen sie in Deutschland vor Gericht.
Dies gilt allerdings nicht für jene exorbitanten Selbstbereicherungen, die sich im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften bewegen.Wer den weitverbreiteten Unmut über habgierige Selbstbedienung von einigen Managern als allzu menschlichen Neidkomplex beiseite schiebt, der verkennt die in die Tiefe gehende politische Unzufriedenheit, die von diesen Exzessen ausgeht. Ein Vergleich eines mit hoher Verantwortung belasteten Spitzenmanagers mit einem Spitzenpolitiker in vergleichbarer Position ist nicht abwegig. Wenn zum Beispiel im Jahr 2005 ein Bundesminister brutto rund 200 000 Euro erhielt (einschließlich seiner steuerpflichtigen Bezüge als Bundestagsabgeordneter), dann war sein Jahreseinkommen rund sechs mal so hoch wie das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Facharbeiters (brutto rund 33 000 Euro), es war rund fünf mal so hoch wie das durchschnittliche Einkommen der Bankangestellten (brutto 45 000 Euro). Diese erheblichen Einkommensunterschiede erscheinen noch als angemessen und plausibel. So auch mir; allerdings möchte ich nicht wünschen, daß der Abstand des Einkommens der Spitzenpolitiker vom Einkommen der Facharbeiter vergrößert wird. Gleichzeitig verdiente aber der Chef einer Bank mehr als das Vierzigfache des Bundeskanzlers; der Chef eines industriellen Konzerns verdiente immerhin das Hundertfache seiner Facharbeiter.
Weil die zeitunglesenden Bürger von zusätzlichen hohen Bonifikationen und von hohen Abfindungen erfahren, hat sich bei vielen der Eindruck grober Unangemessenheit und Ungerechtigkeit ergeben. Ich teile diesen Eindruck. Das Bonifikationsunwesen belohnt speziell Finanzmanager für erfolgreiche Spekulation und Manipulation mit einem Vielfachen ihres normalen vertraglichen Gehaltes, es erzieht sie geradezu zur Erfindung und Benutzung ständig neuer Finanzinstrumente und -methoden. Auf diese Weise hat sich zunächst im angelsächsischen Raum ein dem Raubrittertum vergleichbarer Pseudo-Adel des »Investment Banking« entwickelt, der sich zu Lasten der Gesellschaft und des Staates mit enormen Beträgen bereichert. Zwar sind die undurchsichtigen neuartigen Finanzierungsgeschäfte weitgehend legal, aber mit Marktwirtschaft im Sinne des Prinzips von Angebot und Nachfrage haben sie kaum etwas zu tun. In letzter Zeit beginnt diese soziale Erkrankung sich auch in der deutschen Wirtschaft auszubreiten. Allerdings regen sich in Bundestag und Bundesregierung auch Gegenkräfte.
Gleichzeitig mit der hier kritisierten internationalen Welle von Finanzspekulationen ist in großen deutschen Unternehmen eine unverhältnismäßige Steigerung der normalen vertraglichen Gehälter von Spitzenmanagern zu beobachten. Offensichtlich haben manche unserer Aufsichtsräte oder ihre Personal- oder Präsidialausschüsse das Augenmaß verloren. Das gilt leider auch für einige derjenigen Aufsichtsratsmitglieder, die entsprechend dem Mitbestimmungsgesetz von den Belegschaften und den Gewerkschaften entsandt sind; in der Regel machen sie mit oder halten still, wenn ihnen auf anderen Gebieten Zugeständnisse zugunsten der Belegschaft gemacht werden.
Da zur Zeit viel über das Prinzip eines Mindestlohns gestritten wird, scheint mir eine Diskussion über eine obere Begrenzung der Bezüge für Spitzenmanager nicht abwegig. Sie wäre zu definieren als ein Vielfaches zum Beispiel der Bezüge eines Bundeskanzlers oder auch des Durchschnitts aller Arbeitnehmer. Ein oft gehörter Einwand lautet, »der Markt« oder die internationale Konkurrenz verlangten gleiche Bezüge wie in den USA. Tatsächlich ist bisher kein deutscher Spitzenmanager mit höheren Bezügen nach Amerika abgeworben worden. Die Sachverständigen der Wirtschaftswissenschaften sollten sich öffentlich hörbar und lesbar dieses Problems annehmen. Dabei sollte auch die Praxis unter die Lupe genommen werden, welche einem Spitzenmanager zusätzlich hohe Einkommen in Gestalt von Optionen auf Aktien des eigenen Unternehmens gewährt; denn diese Praxis ist eine stillschweigende Einladung zur Manipulation des eigenen Aktienkurses und zur Spekulation.
Jedenfalls sollte das Einkommen von Spitzenmanagern und Vorstandsmitgliedern genauso durchsichtig sein wie dasjenige von Bundesministern. Anders als ein Eigentümer-Unternehmer haften Politiker und Manager für Fehlschläge und Verluste nicht
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