Ausser Dienst - Eine Bilanz
sollte man einem gemeinnützigen Stifter nicht wenigstens dasjenige Maß an öffentlicher Anerkennung zukommen lassen, das ein guter Fernsehschauspieler oder auch ein Politiker erhält? Öffentliche Auszeichnung würde zur Nachahmung anregen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, daß man die Namen wohltätiger Stifter öffentlich sichtbar in einer Wand im Reichstagsgebäude einmeißelt, dem Sitz des Deutschen Bundestages.
Die klassischen ökonomischen Lehrer, von Adam Smith und David Ricardo bis zu Joseph Schumpeter, gingen davon aus, daß die Verfolgung des eigenen Vorteils – sei es durch den einzelnen oder durch ein ganzes Land – der Allgemeinheit nützt; sie erkannten Eigennutz als eine der entscheidenden Triebkräfte der Wirtschaft. Karl Marx hat umgekehrt aus der Verfolgung des eigenen Vorteils durch die Unternehmer (die »Kapitalisten«) den »Klassenkampf« abgeleitet und diesen unausweichlich in der »Diktatur des Proletariats« enden lassen. Einerseits hat sich das demokratische Prinzip durchgesetzt, andererseits ist der Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts weitgehend durch den Wohlfahrtsstaat gezähmt und zivilisiert worden. Reste der alten Ideologien sind jedoch immer noch virulent: Das gilt sowohl für den Marxismus mit seiner diktatorischen Regulierungssucht als auch für den Liberalismus, sei es in seiner sozialpolitisch verantwortungslosen »neoliberalen« Variante, sei es als »Ordo-Liberalismus«, der unsere tiefgreifende Verflechtung in die Weltwirtschaft nicht zur Kenntnis nehmen will, als auch für den ökonomischen Konservatismus, der alles so belassen möchte, wie es bisher gewesen ist.
Das 20. Jahrhundert hat nicht nur den europäischen Wohlfahrtsstaat zustande gebracht, sondern auch zwei neue ökonomische Ideologien. Der Keynesianismus glaubt durch forcierte staatliche Ausweitung der Nachfrage jede Wachstumskrise zu überwinden – ein Rezept, das zu Zeiten von Hitler und Schacht wirksam war, weil Deutschland nach außen von der Weltwirtschaft so gut wie abgeschottet war und im Innern durch Devisenzwangswirtschaft, durch Lohn- und Preisstopp und vielerlei weitere Zwänge gelenkt wurde. Für die heutige deutsche Volkswirtschaft, der eine Geldvermehrung àla Schacht nicht zu Gebote steht, wäre eine politisch gewollte Steigerung der Nachfrage nur über höhere Staatsausgaben und deshalb höhere Staatsverschuldung möglich. Sie würde aber einen Importsog auslösen, und von den erstrebten Beschäftigungseffekten würde wesentlich das Ausland profitieren. Deshalb habe ich mich schon zu D-Mark-Zeiten dem amerikanischen Ansinnen widersetzt, durch forciertes »deficit spending« Deutschland hohe Schulden aufzubürden.
Umgekehrt gehen Neo-Liberalismus und ähnlich der Monetarismus von einer staatlichen »Stärkung der Angebotsseite« aus; durch Absenkung der Staatsquote, nämlich durch Einschränkung der Besteuerung – das heißt im Endergebnis der Sozialleistungen!–, sowie durch Entfesselung des individuellen Gewinnstrebens glaubt man die Wirtschaft zu beleben. Beide ideologischen Patentrezepte sind für unsere heutige Volkswirtschaft illusionär, weil unsere Wirtschaft und Gesellschaft vielfältig in den gemeinsamen Markt der EU, in die Euro-Zone und in die globale Wirtschaft verflochten sind. Der Versuch, ökonomische Theorien, die unsere transnationalen Abhängigkeiten vernachlässigen, in die Praxis umzusetzen, würde außenpolitische Konflikte und eine binnenwirtschaftliche Krise auslösen. Auf die Praxis der ökonomischen Politik aber kommt es an, nicht auf irgendwelche Ideologien. Das von Ludwig Erhard propagierte, politisch erfolgreiche Schlagwort von der sozialen Marktwirtschaft war inhaltlich ausreichend vage, um genügend Raum zu lassen für die praktische Ausgestaltung. Auch das Schlagwort vom Sozialstaat oder vom Wohlfahrtsstaat läßt prinzipiell einen großen Spielraum für die praktische Politik. Ein Gleiches gilt für das Schlüsselwort von der sozialen Gerechtigkeit, ob es nun auf die Einkommen und deren Besteuerung gemünzt ist oder auf die Sozialleistungen.
Es ist weder eine ökonomische Theorie noch eine Ideologie gewesen, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau Deutschlands oder Japans herbeigeführt hat. Die erfolgreichsten Wirtschaftspolitiker, die ich persönlich näher kennengelernt habe, waren Ludwig Erhard Ende der vierziger und zu Beginn der fünfziger Jahre, Karl Schiller und Franz Josef Strauß Mitte der sechziger Jahre, der Amerikaner
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