Ausser Dienst - Eine Bilanz
oder Klaus Harpprecht und hatte erheblichen Einfluß auf den Kanzler. Dieser ließ seinen Mitarbeitern viel Spielraum, vor allem Ehmke als dem flinken Chef des Kanzleramtes. So kam es, daß Ehmke vieles dirigieren und, sich auf Brandt berufend, auch eine ordre de moufti verkünden konnte, die gar nicht vom Moufti stammte.
In einem Ministerium kann es zu ähnlichen Entwicklungen kommen, wenn der Minister nicht gelernt hat, einem großen bürokratischen Beamtenapparat vorzustehen, und wenn er auf ein ihm persönlich vertrautes Küchenkabinett hört, statt sich auf seine fachlich erfahrenen Spitzenbeamten zu stützen. Solche Küchenkabinette beruhen oft auf Seilschaften innerhalb der jeweiligen Partei. In der Regel fehlt es ihnen an fachlicher Kompetenz, und oft genug sind sie Einflüsterungen aus ihrer Partei zugänglich, besonders im Bereich der Personalpolitik.
Nach meiner Erfahrung können die deutschen Berufsbeamten – jedenfalls in den Führungsetagen – sich in ihrer Leistung gut an ihren französischen oder englischen Kollegen messen lassen (ein Vergleich mit der amerikanischen Spitzenbeamtenschaft ist schwierig, weil lebenslange Beamte dort keineswegs die Regel sind). In allen meinen Ämtern hat mich, wenn Beförderungen anstanden – sei es zum Ministerialdirektor, zum Drei-Sterne-General oder zum »großen« Botschafter–, immer nur die fachliche und persönliche Qualifikation eines Kandidaten interessiert, nicht aber seine parteiliche Bindung oder Neigung. Jedes Parteibuch-Beamtentum war und ist mir ein Greuel. Leider besteht bei unteren Behörden, zumal in den Bereichen der Arbeitsund Sozialverwaltungen und in den kommunalen Verwaltungen, des öfteren eine erkennbare Neigung zu Parteibuch-Karrieren. Man darf dem nicht Vorschub leisten. Ich jedenfalls habe an der Ernennung sogar von beamteten Staatssekretären auch dann anstandslos mitgewirkt, wenn sie bekanntermaßen der Oppositionspartei zuneigten. An die gute Zusammenarbeit mit mehreren beamteten Ministerialdirektoren, die der CDU angehörten, erinnere mich noch heute mit Dankbarkeit.
Die Gesprächspartner, mit denen ein Minister sich regelmäßig berät, sind normalerweise seine Staatssekretäre. Dazu kommen einige seiner Ministerialdirektoren – bei weitem nicht alle – sowie die im gleichen Sachgebiet tätigen Partei- und Koalitionskollegen im Parlament. Die Abgeordneten der anderen Parteien nimmt er überwiegend als seine Gegner wahr. Die Beamten aus den vielen Stufen der Hierarchie, die unter einem der Ministerialdirektoren (Abteilungsleiter) arbeiten, lernt ein Minister kaum jemals kennen (seine persönlichen Mitarbeiter und sein Sekretariat bleiben die Ausnahme). Eine ministerielle Hierarchie ist nur ausnahmsweise innovativ; wohl aber kann man in aller Regel davon ausgehen, daß die Berufsbeamten nicht nur ihr Fach beherrschen, sondern auch Urteilskraft besitzen, wenn sie im Laufe vieler Jahre zum Ministerialrat aufgestiegen und später zum Ministerialdirigenten, am Ende zum Ministerialdirektor oder gar zum Staatssekretär befördert worden sind.
Die parteipolitische Neutralität und ebenso das Beharrungsvermögen der Berufsbeamten haben ihre Berechtigung und Legitimität. Andererseits braucht ein Minister für seine Initiativen und Innovationen Mitarbeiter, die seine Zielsetzungen teilen. Deshalb ist es durchaus zweckmäßig, daß seine Staatssekretäre als »politische Beamte« gelten, für deren Berufung und Abberufung es keinerlei gesetzliche Vorschriften gibt. Wenn ich ein Ministerium übernahm (und auch als Kanzler), habe ich daher zwar Staatssekretäre ausgewechselt, aber keinen Ministerialdirektor entlassen. Als Verteidigungsminister mußte ich einmal einen Zwei-Sterne-General vorzeitig in den Ruhestand schicken; das geschah allerdings aus politischer Notwendigkeit, weil er die Grundsätze der inneren Führung eine »Maske« genannt hatte, die man endlich abnehmen solle. Ansonsten haben politische Neigungen und Verbindungen von Beamten und Soldaten bei Beförderungen und Ernennungen für mich keine Rolle gespielt. Mit Genugtuung habe ich später gesehen, daß einige Bundesminister aus den Reihen der CDU/CSU sich genauso verhalten haben.
Bei der Ernennung von Ministern müssen natürlich ganz andere Maßstäbe gelten als bei der Ernennung von Beamten – auch wenn manche wohlmeinende, aber naive Bürger sich immer wieder am liebsten sogenannte Fachleute als Minister wünschen. Gewiß sollte ein Minister sein Fach entweder gut
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