Ausser Dienst - Eine Bilanz
Lateinischen. Ich hätte als junger Abgeordneter, noch keine vierzig Jahre alt, meine Freizeit nutzen sollen, Französisch zu lernen und anzuwenden. Als ich mit fünfzig Jahren Minister wurde, war es dafür zu spät, auch gab es keine Freizeit mehr. Ich konnte nie mehr nachholen, was ich in jüngeren Jahren versäumt hatte.
Im 21. Jahrhundert, in dem die Entfernungen noch viel mehr zusammenschrumpfen werden, wird Englisch für viele Berufe zu einer selbstverständlichen Voraussetzung werden. Ein deutscher Politiker aber, der als Fremdsprache allein das Englische einigermaßen beherrscht, kann sich nur mit Einschränkungen überall verständlich machen. Jungen Deutschen, die begabt genug sind und den Willen zum Lernen haben, stehen – fast ohne Ausnahme – alle Schulen und Hochschulen offen. Wer die Angebote nicht nutzt, parallel zu seiner speziellen Berufsvorbereitung mindestens zwei lebende Fremdsprachen zu erlernen, läuft Gefahr, für immer zweitrangig zu bleiben.
Erfahrungen aus der Wirtschaft
Im Rückblick auf lange Jahre in der Regierung, auf dreißig Jahre im Bundestag und auf sechs Jahrzehnte politischen Engagements stelle ich fest: Ich habe in diesen Jahren vieles gelernt. Einige wichtige Einsichten habe ich jedoch erst in dem Vierteljahrhundert seit meinem Ausscheiden aus der aktiven Politik gewonnen. Auch deshalb unterscheiden sich am Ende meines Lebens manche Einsichten von denen am Beginn meines politischen Engagements. Wenn ich im Laufe der Jahre manches dazugelernt habe, so verdanke ich das in erster Linie den Menschen, denen ich zugehört habe, darunter auch vielen, die durchaus anderer Ansicht waren als ich. Im folgenden soll von Persönlichkeiten die Rede sein, deren ökonomische und unternehmerische Erfahrungen für mich wichtig wurden.
Volkswirtschaftliche Zusammenhänge lernte ich zuerst begreifen in den vier Jahren, die ich als junger Mann in der von Karl Schiller geleiteten hamburgischen Behörde für Wirtschaft und Verkehr gearbeitet habe. Zunächst war ich sein persönlicher Referent, dann wurde ich Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung und zuletzt, 1952, Leiter des Amtes für Verkehr. Dessen umfangreichste Aufgabe war eine Verwaltungsaufgabe, nämlich Führerscheine auszugeben und einzuziehen. Aber zum Amt gehörten nicht nur die Hamburger Hochbahn, die Straßenbahn und die S-Bahn, sondern auch der Flughafen und alles, was mit dem Luftraum zusammenhing. Immerhin kann ich mich rühmen, daß ich 1952 zusammen mit Wolf Loah im Raum Kaltenkirchen nördlich von Hamburg einen Großflughafen geplant habe. Daraus ist nichts geworden, weil sowohl die Hamburger als auch die Schleswig-Holsteiner zu kleinkariert waren; die Hamburger hatten Angst, daß ihr ganzes Geld nach Schleswig-Holstein geht, und die Kieler Politiker meinten, Kaltenkirchen würde doch nur den Hamburgern nützen. Statt des einen haben wir heute gleich drei Weltflughäfen: einen in Kiel, einen in Lübeck und einen in Fuhlsbüttel.
Bei der Neugründung der Lufthansa sammelte ich auch erste Erfahrungen über Hamburg hinaus. Neben dem Bund, vertreten durch den Verkehrsminister Seebohm, waren die Länder Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg beteiligt, und jeder musste ein Stück vom Kuchen abbekommen. Daß Frankfurt das Zentrum des Verkehrs werden würde, war geographisch unausweichlich. Als Ausgleich erhielt Nordrhein-Westfalen die Hauptverwaltung, die noch heute in Köln sitzt, und die technische Basis ging nach Hamburg, wo sie auch geblieben ist.
Kaufmännische oder unternehmerische Erfahrung hat mir bis in die achtziger Jahre gefehlt. Allerdings erhielt ich erste, noch bescheidene Einblicke als Aufsichtsratsmitglied der Firma Auer-Druck, die der Hamburger SPD gehörte und unter anderem die Tageszeitung »Hamburger Echo« herausgab. Deren Redakteure wollten eigensinnig immer noch die gleiche Zeitung machen, die sie bis 1933 gewohnt gewesen waren. Aber für eine solche Zeitung gab es immer weniger Leser, und deshalb war ihr Ende schließlich unvermeidlich. Tradition ist etwas Wichtiges, aber es ist nicht der Hauptzweck des Lebens. Einer der Redakteure war übrigens Herbert Wehner, der einmal einen ganzseitigen Artikel über einen Kongreß der finnischen Holzarbeitergewerkschaft schrieb. Später mußte auch die von dem Journalisten Heinrich Braune sehr viel besser gemachte Boulevardzeitung »Hamburger Morgenpost« verkauft werden. Gelernt habe ich dort, daß es sinnlos ist, am Markt etwas verkaufen zu
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