Aussicht auf Sternschnuppen
dümmlich an. Ich stieg sofort auf die Bremse, kam aber erst zwei Meter vor ihnen schlingernd und mit quietschenden Reifen am Rand der Straße zum Stehen. Mein Herz raste. Der Puls der Kühe schien allerdings nicht nennenswert nach oben geschnellt zu sein, denn sie setzten sich in einem nur sehr gemächlichen Tempo in Bewegung, um einen kleinen Abhang hinaufzusteigen und auf einer Weide zu verschwinden.
Ich lehnte mich zurück und schloss kurz die Augen.
„Sehen Sie, das habe ich gemeint. Sie sind gestresst und hektisch. Lassen Sie uns eine kleine Pause machen. In dem Zustand können Sie sowieso nicht weiterfahren. Möchten Sie eine Zigarette?“ Er hielt mir eine rotweiße Packung unter die Nase.
Mit zittrigen Händen stieß ich sie weg und fuhr ein Stück vor in eine Hofeinfahrt. Dann kletterte ich mit wackeligen Beinen aus dem Auto und lehnte mich gegen die Wand eines kleinen Schuppens. Der Postbus fuhr hupend an uns vorbei. Na toll!
Nils stand einige Meter von mir entfernt und hatte seine obligatorische Zigarette in der Hand. Ich wartete auf einen doofen Spruch von ihm, doch er rauchte nur schweigend vor sich hin.
So konnte es nicht weitergehen! Wenn Nils auch in den nächsten Stunden darauf bestand, alle 50 Kilometer anzuhalten, würden wir frühestens morgen Lucca erreichen und solange konnte ich diese Ungewissheit nicht mehr ertragen.
„Passen Sie auf! Ich mache Ihnen ein Angebot: Sie dürfen, bis Sie mich in Lucca rausschmeißen, am Steuer sitzen, wenn Sie sich im Gegenzug dazu bereit erklären, bei der nächsten Apotheke anzuhalten und sich für die restliche Fahrt ein Nikotinpflaster auf den Arm kleben.“
„Ein Nikotinpflaster?“ Nils sah mich entgeistert an.
„Es wäre der perfekte Kompromiss. Ich käme so schnell wie möglich in die Toskana und Sie müssten auf Ihr kleines Laster nicht vollkommen verzichten.“
„Kein guter Plan.“
„Warum nicht?“ Ich sah ihn wütend an. „Es ist ein Kompromiss, von dem jeder profitieren würde.“
„Nein. Ein Nikotinpflaster hat nämlich nicht den gleichen Effekt wie eine Zigarette.“
„Haben Sie es denn schon einmal mit einem Nikotinpflaster probiert?“
„Nein, aber …“
„Sehen Sie. Sie haben es noch nie probiert. Lassen Sie uns zu einer Apotheke fahren. Bestimmt kann Ihnen Ihr Wunderhandy sagen, wo die nächste ist. Und …“ Ich griff in meine Handtasche. „Hier ist ein Kugelschreiber. Dann sind Sie nicht nur mit Nikotin versorgt, sondern haben auch noch etwas in der Hand, das Sie ablenkt, wenn Sie Gelüste nach einer Zigarette verspüren.“
„Ich fühle mich von Ihnen überrannt“, meinte Nils, als wir beide wieder im Auto saßen, er auf der Fahrer-, ich auf der Beifahrerseite. „Sie können doch nicht darauf bestehen, dass ich mir ein Nikotinpflaster auf den Arm klebe.“
„Ich bestehe nicht darauf. Ich bitte Sie darum und biete Ihnen gleichzeitig etwas dafür an. Es ist also viel mehr ein Geben und Nehmen als eine Forderung.“
Nils schaute auf seine Zigarettenschachtel herunter und wiegte sie prüfend von rechts von links. Anscheinend überlegte er gerade, ob ihm eine sichere Weiterfahrt ein solches Opfer wert wäre. Dann schien er zu einem Entschluss gekommen zu sein.
„Gut, ich probiere es mit diesem Nikotinpflaster. Ich habe in letzter Zeit wirklich ein wenig zu viel geraucht …“
„Sehen Sie“, fiel ich ihm ins Wort. „Ich tue also auch noch ein gutes Werk mit meiner Forder…, äh, Bitte.“
„So würde ich es nicht sagen. Es wäre wirklich ein großes Opfer für mich, fast schon eine Beschneidung meiner Persönlichkeitsrechte. Aber ich tue es. Allerdings hätte ich auch eine kleine Bitte an Sie.“
„Ich bin Ihnen schon entgegengekommen, indem ich Sie fahren lasse.“
„Ja, aber ich glaube, nach Ihrem kleinen Fast-Zusammenprall mit den Kühen sind Sie sowieso nicht mehr so scharf darauf, zu fahren. So billig kommen Sie mir also nicht davon.“
„Sie haben mich durchschaut“, gab ich widerstrebend zu. „Was kann ich also für Sie tun?“
„Ich möchte noch einmal eine etwas längere Pause einlegen.“
„Warum das denn? Haben Sie schon wieder Hunger? In dem Fall fragen wir in der Apotheke gleich mal nach, ob es dagegen auch ein Pflaster gibt.“
„Nein. Hunger habe ich keinen. Ich hätte Lust auf eine kleine Wanderung.“
„Eine Wanderung?“
„Ja, eine Wanderung. Es gibt ganz in der Nähe von hier einen kleinen Gebirgssee, den Obernberger See. Er liegt ein wenig abseits auf einem
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